Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von Kangaroo

Prüfe ihn und er ist in Dir...

Pro:

...ENTSCHEIDET Ihr

Kontra:

...ENTSCHEIDET IHR

Empfehlung:

Nein

Hallo ihr Lieben!
Ich habe kürzlich eine Kurzgeschichte geschrieben zum Thema: Gottfindung. Ich bin wahrhaftig nicht religiös, aber es überkam mich und ich begann zu schreiben...

Prüfe ihn und er ist in dir


Theo und ich schlenderten über den verschneiten Dorfplatz, der nichts weiter als eine Grünfläche und einem kleinen, dürftig zusammen gezimmerten Holzhaus im Mittelpunkt war.
Es war ungewöhnlich kalt an diesem Tag und gerade jetzt im Januar bekam man eine Erkältung so schnell wie eine schlechte Zensur in der Schule. Auch Theo und mich hatte es dieses Mal erwischt und uns beiden war es hier draußen sehr unwohl. Die Kirche stand nicht weit vom Dorfplatz entfernt, sie lachte uns geradezu an mit ihrem spitz zulaufenden Dach und der riesigen Holztür mit den schwarzen, stabilen Türgriffen darauf.
Ich hatte Theo, der gerade sieben Jahre alt geworden war, an die Hand genommen, als wir die Hauptstraße überquerten. Wir standen vor der großen Tür, die uns in die sicherlich wohlig warme Kirche hinein führen sollte und Theo blickte mich an: „Können wir nicht lieber wieder nach Hause gehen?“
Ich antwortete ihm nicht, sondern drückte mit meinen eiskalten Fingern die Metallklinke der schweren Tür, die sich mit einem leichten Knarzen öffnete, hinunter.
Wir waren nicht bibelfest, Theo hatte wir nicht einmal taufen lassen, trotzdem gehörten wir dem katholischen Glauben an. Mein Mann glaubte fest an Gott und dessen Allmacht. Ich hingegen war schon als Kind, ich kannte es ja von Haus aus nicht anders, nicht an Gott gewöhnt worden und konnte nie an diese ganzen Religionen glauben. Ich kam in meinem Leben immer ohne Gott klar und sah keinen Grund darin, plötzlich an ihn zu glauben. Er existierte für mich noch nie!
Wir betraten das Gebäude, das von außen größer erschien, als es tatsächlich war. Ich zog Theo seine Mütze vom Kopf und streichelte ihm über sein lockiges, blondes Haar. Wieder schaut er zu mir hoch, sagte aber dieses Mal nichts.
In der Kirche war es angenehm warm, nun fühlte ich mich schon besser, als ich es noch draußen in der Kälte tat. Die Kirche war leer, nur Theo und ich standen oben auf der Treppe. Diese gingen wir leise und langsam hinunter und schritten durch den Gang, neben dem rechts und links dunkle Holzbänke standen. Irgendwann nahmen wir in einer Bank auf der linken Seite Platz, ich knöpfte meinen Mantel auf und gab Theo durch ein leichtes Nicken zu verstehen, dass er seine Jacke ebenfalls öffnen solle.
Vor uns lagen auf der Ablage der Bank zwei Gebetbücher aufeinander. Der Altar vorn bestand nur aus einem Tisch, der mit einem weißen Tuch, auf das ein rotes Kreuz gestickt wurde, bedeckt war. Die Orgel konnte man von unserem Platz aus nicht sehen, dazu hätte man sich umdrehen müssen. Denn aus Erzählungen meiner Nachbarin wußte ich, dass die Orgel in ihrer vollen Pracht auf der Empore, welche über dem Eingang war, stand. Ich muß zugeben, dass ich niemals diese oder andere Kirchen betreten hatte. Bei meiner Hochzeit haben sich mein Mann und ich nur standesamtlich trauen lassen, die kirchliche Hochzeit wurde wegen des Krieges immer wieder verschoben, worüber ich auch froh war.
Doch weshalb ich heute, gerade eben den Drang spürte, in die Kirche zu gehen, wußte ich selbst nicht. Ich denke, Theo fand es genauso unbegreiflich wie ich. Zugegeben, es war ein Gefühl von Zufriedenheit, wie ich mit meinem Sohn zusammen auf der Bank saß.
Plötzlich sprach mich Theo wieder an, jedoch nicht in seiner Art, in der er sonst mit mir sprach. Er klang sehr ruhig und, genau wie ich mich fühlte, zufrieden: „Mama, wo ist Gott?“
Diese Frage hat mich wohl völlig aus der Bahn geworfen, denn ich antwortete ihm: „Gott? Den gibt es nicht. Das weißt Du doch.“ Nun dachte ich, ich sei mit dieser Antwort aus dem Schneider, aber Theo erzählte weiter: „Meine Freunde aus der Schule haben gesagt, dass sie zu Hause immer mit ihren Eltern zusammen vor dem Essen beten. Ihnen gefällt das. Warum beten wir denn nie?“ Eigentlich hätte ich, wären wir an einem anderen Ort gewesen, Theo gesagt, dass er aufhören solle, solche Fragen zu stellen, aber ich blieb gelassen und antwortete ihm äußerst sachlich. „Schatz, hör mir einmal zu: Es gibt Leute, dazu mögen auch die Jungen aus deiner Klasse und deren Eltern gehören, die an Gott glauben. Aber wir, Papa und ich glauben nicht, dass ein Gott existiert oder dass es ihn jemals gegeben hat.“ „Papa glaubt an Gott. Das hat er mir selbst einmal erzählt. Auch ich denke, dass irgendwo hier in der Kirche Gott herumschwebt oder vielleicht unsichtbar neben dir auf der Bank sitzt und all das, was wir gerade reden, mithört.“ Ich war absolut verblüfft. So kannte ich Theo gar nicht. Ich erlebte ihn niemals in dieser Form, er klang erwachsen und vernünftig.
„Wer hat dir das alles erzählt, Theo?“ fragte ich, als ich mich wieder ein bißchen gefasst hatte.
„Niemand. Ich weiß, dass es Gott gibt. Schau dir doch nur die Bilder hier in der Kirche an, Mama. Da ist so oft ein und dieselbe Person drauf. Das muß Gott sein. Aber in der Bibel steht doch,“ ich runzelte die Stirn, war völlig durcheinander und Theo setzte erneut zu seinem Satz an: „Aber in der Bibel steht geschrieben, dass man sich kein Abbild von Gott machen darf.“ „Ich weiß nicht, was in der Bibel steht. Da habe ich niemals hinein geschaut.“ Spätestens jetzt wußte ich, welch schlechtes Beispiel ich für meinen Sohn war. Ungläubig, eine Heidin. Theo fuhr fort: „Auf den Bildern“, dabei deutete er mit seinem Zeigefinger auf eines der Glasbilder, die sich an den Seite und ziemlich oberhalb des Gebäudes befanden, „macht Gott die Menschen gesund. Er verbringt Wunder.“ „Vollbringt Wunder.“ berichtigte ich ihn. „Ja, das meine ich. Wenn man das alles auf die Bilder malt, muß es doch stimmen. Außerdem glauben so viele Menschen an Gott und die können sich doch nicht alle nur einbilden, dass es Gott gibt.“ Ich blieb stumm, hörte meinem Sohn, der doch gerade erst sieben Jahre alt geworden war, weiterhin zu. „Warum glaubst du dann nicht auch an Gott?“ fragte er dann frei heraus.
Darauf sagte ich ihm: „Ich weiß es nicht, mein Sohn. Meine Eltern haben schon damals nicht an Gott geglaubt und mir ihn immer ausgeredet, wenn ich sie, wie du es gerade tust, nach ihm fragte. Auch ich habe einmal an Gott geglaubt“, Theo wandte seinen Blick von den Kirchenfenstern ab und blickte mir tief in die Augen, „ja, ich glaubte an Gott. Früher, als ich so alt war, wie du, habe ich jeden Abend gebetet, aber immer nur dann, wenn meine Eltern schon schliefen, denn sie durften ja nichts von meinem Glauben an Gott mitbekommen. Doch irgendwann hat mein Vater sich mit mir unterhalten. Er sagte, ich dürfe nicht an Gott glauben, er sei schlecht, böse, würde den Menschen nur Unglück und Unheil zufügen.“ „Aber das tut er doch gar nicht.“ Theo machte einen sehr besorgten Blick. „Nun glaube ich eben nicht mehr an ihn, das Gespräch mit Vater habe ich immer in meinem weiteren Leben beherzigt und mir nie mehr mein eigenes Bild von den Dingen gemacht. Ich denke, dass das ein großer Fehler war!“
„Ich verstehe das nicht. Warum bist du nie auf die Suche nach Gott gegangen?“
„Wie kann ich Gott denn suchen?“ wieder war ich sehr verunsichert. „Du mußt ihn prüfen. Ich habe Gott gefunden, indem ich mir etwas gewünscht habe, was sicher nie in Erfüllung geht. Diesen Wunsch habe ich Gott aufgetragen, ich habe zu ihm gebetet und mein Wunsch wurde erfüllt. Seitdem weiß ich, dass Gott in mir ist.“ Er tippte mit meinem Daumen auf seinen Oberkörper. „Gott ist auch in dir, prüfe ihn doch nur einmal, dann siehst du, dass er da ist. Glaube es mir!“
Ich war mir eine Zeit lang nicht sicher, ob wirklich mein Sohn neben mir saß und mit mir sprach, er klang wir ein Erwachsener, so unglaublich ernst.
„Ich, ich... danke dir.“ Ich legte meine Arme um Theos Hals und atmete tief ein und anschließend stieß ich die Luft voller Zufriedenheit wieder aus. Da ich Theo umarmte und ihm so nicht in die Augen schauen konnte, konnte ich nur ahnen, dass sich auf seinem Gesicht ein kleines, ebenfalls zufriedenes Lächeln breit machte...


So, ich hoffe, die Geschichte hat Euch gefallen.

Alles Liebe,
Kangaroo

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