Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von Koh-i-Noor

Zum Nachdenken !

Pro:

regt zum Nachdenken an

Kontra:

selbst denken ist anstrengend -grins-

Empfehlung:

Nein

Lieber Leser,
ein Wort vorweg:
Die Geschichte, alle Namen und Orte der Handlung sind frei erfunden und eventuelle Ähnlichkeiten mit einer tatsächlichen Begebenheit sind rein zufällig.
An die 'Faker': diese Geschichte ist urheberrechtlich für mich geschützt, ihr werdet also schnell beim Klau erwischt!!!

Und nun ein BESINNLICHES Lesen.

*Ein Ende*

"......vermißt wird seit heute Mittag der 82-jährige Peter Steinberg. Herr Steinberg ist 176 cm groß, hat graue, volle Haare, blaue Augen, trägt einen hellen Leinenanzug und einen schwarzen Spazierstock mit goldenem Knauff. Herr Steinberg bedarf dringend ärztlicher Hilfe. Wer ihn gesehen hat, möge sich bitte bei der Psychiatrie zu Lübeck oder der zuständigen Polizeidienststelle melden."

Der Tag ging zu Ende und die Sonne, deren letzte, warme Strahlen seine Haut berührten, versank langsam, fast melancholisch, über dem Wasser der Ostsee.
Ein alter Mann am Meer und das Geschrei der Möwen, das immer leiser wurde.
Er wußte nicht, wie lange er dort so reglos dagesessen hatte, aber es interessierte ihn auch nicht.
Es war schon ein eigenartiger Tag, dieser Tag im März.
Er war morgens aufgestanden und hatte nach dem Ankleiden gefrühstückt, so wie er es jeden tag tat. Als ihm aber die Schwester der *Betreuten Alten-Wohngruppe* einen Brief brachte, ging Alles ungewohnte Bahnen. Er bekam sonst keine Post, schon seit vielen Jahren nicht mehr. Seine Familie war verstorben, Kinder hatte er nicht und auch die Freunde waren vor ihm gegangen. Um so mehr überraschte es ihn, als er den Absender auf dem Kuvert las: "Liancourt, Notaire de Paris".
Er kannte diesen Menschen nicht und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was Dieser von ihm wollen könnte. Wohl kannte er Paris,ja.....daran konnte er sich noch erinnern, aber einem Liancourt - nein.
Als er den Brief öffnete, fiehl ein zweiter Umschlag und ein Begleitschreiben heraus.
Die Buchstaben begannen vor seinen Augen zu tanzen, als er den Absender des 2. Briefes las: Fabrice Gérad.
Ja, diesen Absender kannte er gut, sehr gut sogar.....
Gedanken und Erinnerungen purzelten bruchstückweise durch sein Hirn. Gute und auch schlechte Gefühle schossen ihm durch den Kopf und mit zitternden Händen hob er das Begleitschreiben zum Lesen an.

" Sehr geehrter Herr Steinberg, als ihr Freund Fabrice Gérad vor nunmehr 50 Jahren aus dem Leben schied, erhielt ich den Auftrag Ihnen dieses Schreiben, nach genauem Ablauf dieser Zeit, auszuhändigen. Da die Frist nun um ist, walte ich meines Amtes und übersende Ihnen dieses Kuvert. Hochachtungsvoll, Ihr Th. Liancourt"

Fabrice sollte tot sein? Vor 50 Jahren schon gestorben? Nein - das konnte nicht sein, da waren sie doch noch jung gewesen und verliebt ...........Tränen rannen langsam seine Wangen herunter. Mit aller Gewalt brachen die Erinnerungen über ihn herein und waren klar und deutlich - grausam deutlich!
Er hatte vergessen wollen was damals war und hatte es im Laufe der vielen Jahre auch wirklich geschafft, seine Liebe und sein Leben zu verdrängen.
Und nun, nach 50 Jahren, brach alles über ihm zusammen.
Vorsichtig, beinahe ängstlich öffnete er den Brief und begann zu lesen.

"Geliebter Freund,
wenn Du nun diese Zeilen in Händen hältst, werde ich nicht mehr sein - schon lange nicht mehr!
Ich hoffe, die Zeit hat Deine Wunden geheilt, wenn auch die Meinigen weder heilen konnten noch mußten.
Erinnerst Du Dich noch an das Frühjahr 1932, als wir uns das erste Mal in Paris begegnet sind? Wir verbrachten wunderschöne Tage an der Seine, schlenderten durch die alten Gassen, sonnten uns im Park von 'Mone Matré' und konnten nicht genug bekommen von der Nähe zueinander. Ich lud Dich dann ein, einige Tage unser Gast im Château d'Or zu sein.
Weißt Du noch von dieser Zeit, den 14 Tagen in unserem Schloss, die Ruhe und die Freude *uns* zu haben, die langen Spaziergänge und das scheinbar endlose Glück?
Dann, eines Abends vor dem Kamin sagtest Du: "Nein Fabrice, es geht nicht - nicht in unserer Gesellschaft. Wir müssen das vergessen, sonst werden wir geächtet und verlieren unser sorgloses Leben! Lebe wohl mein Freund" und Du gingst schweren Herzens weg.


Ich habe es nicht ertragen können, daß Du wieder fort warst, daß Du nicht den Mut gehabt hast, gegen den Strom zu schwimmen und zu kämpfen, die bornierte Masse zur Einsicht zu bringen, daß eine LIEBE IMMER GUT ist!!

Immer, wenn ich an der Seine oder an einem anderen *unserer* Plätze bin, höre ich Dein unbeschwertes Lachen aus glücklichen Tagen, sehe Dein Gesicht in der Sonne über dem Wasser.........und heute werde ich Dir folgen......
In Liebe Dein Fabrice"

Er hatte die Zeilen noch nicht ganz zu Ende gelesen, als er die Kontrolle über sich verlor und zu weinen anfing. Ja, er hatte Fabrice auch geliebt, aber das durfte doch nicht sein! Man hätte sie verurteilt und eingesperrt, wenn es bekannt geworden wäre. War es da nicht besser gewesen, sich zu trennen und frei zu sein ??? Hätten sie allen Widrigkeiten zum Trotz ihre Liebe verteidigen und mit dem Verzicht auf ihre Menschenrechte dafür einstehen sollen, weil die Gesellschaft soooooo verblendet ist ???
Er wußte keine Antwort.

Peter Steinberg stieg in den Bus und fuhr nach Travemünde ans Meer.
Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien warm und hell, so wie einst im Frühling in Paris.
Und so hatte er nun nach einem langen Strandspaziergang, Stunde um Stunde auf einen großen Stein am Ufer gesessen, und die Vergangenheit ein 2. Mal erlebt.

Die Sonne war fast versunken und das Schreien der Möwen hatte längst schon aufgehört; nur noch das Rauschen der Brandung unterbrach die Stille.
Peter Steinberg erhob sich langsam und gebeugten Schrittes ging er weiter am Wasser entlang.
Die Wellen spülten seine Fußspuren im Sand sofort wieder weg und er ging immer weiter der Sonne entgegen, bis er schließlich nicht mehr zu sehen war.

Aus dem Lautsprecher tönten die *12-Uhr-Nachrichten*, als jemand das Radio lauter stellte:

"......und hier nun eine traurige Meldung über den seit gestern Mittag vermißten Peter Steinberg. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Heute Morgen wurde seine Leiche von einem Strandspaziergänger am Brodtner Ufer gefunden. Aus bislang ungeklärter Ursache ist Herr Steinberg ertrunken, obwohl er einstmals Rettungsschwimmer der DRLG war. Bei der Leiche wurden 2 Briefe gefunden, die jedoch nicht mehr zu identifizieren waren. Die Polizei schließt ein VERBRECHEN nicht aus.
..... und nun hören Sie das Wort zum Sonntag von Pastor Paul mit dem Thema *Toleranz und Akzeptanz*.

Danke für's Lesen und Nachdenken
ciao mirco (Koh-i-Noor)