Hotel Adlon Berlin Testbericht

ab 10,79
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Erfahrungsbericht von dennisirmscher

Ernüchterung im Jugendstilpalast

Pro:

Stilvolles Ambiente

Kontra:

Schlechter Service und dafür einfach zu teuer

Empfehlung:

Nein

Ich hab noch einen Koffer in Berlin, heißt es so schön im Lied. Jaja, irgendwo habe ich dort einen Koffer, aber ich kann Euch jetzt verraten, wo der ganz bestimmt nicht steht: Im Kempinski Hotel Adlon!

Einmal im Leben wollte ich zur Love Parade. Love Parade sehen und sterben. Aber ein bisschen Kontrastprogramm sollte es schon sein, deshalb buchte ich zum Ausgleich zwei Nächte im viel gerühmten Hotel Adlon, das beste Haus am Platz, am Pariser Platz sozusagen.


Empfang

Vor dem Eingangsbereich des Hotels steht eine Reihe von Taxis. Die am Hotel vorbeiführende Straße ist einspurig, ein freier Stellplatz ist nicht vorhanden. Wir fahren also langsam vor und halten schließlich in der zweiten Reihe. Wir steigen aus. Vor dem Hoteleingang steht ein livrierter, weiblicher Chefportier umgeben von einer größeren Anzahl offensichtlich untergeordneter Portiers bzw. Gepäckträger. Wir gehen langsam um unser Auto herum. Keiner der Portiers zeigt irgendeine Reaktion. Wir öffnen den Kofferraum. Weiterhin zeigt niemand eine Reaktion. Wir warten eine Weile. Nichts verändert sich. Schließlich sehe ich mich gedrungen, selbst auf die Portiers zuzugehen und um Hilfe zu bitten. Letztendlich können wir ja nicht für alle Ewigkeit in der zweiten Reihe vor dem Hoteleingang herumstehen.

Die Dame ist nun sehr freundlich. Sogleich eilt ein Gepäckträger mit einem Gepäckwagen herbei. Fast gleichzeitig erscheint eilends der zuständige Angestellte, um unser Auto in die Tiefgarage zu bringen. Warum nicht gleich so?


Rezeption

Obwohl die Rezeption von Gästen umlagert ist, werden wir sehr schnell von einer freundlichen jungen Dame empfangen. Auf Nennung des Namens weiß sie sofort Bescheid. Sie zeigt uns die Lobby und erläutert, wo sich die Restaurants befinden. Das Französische Restaurant in der Belle Etage hebt sie besonders hervor, hat es doch immerhin einen Stern (der Koch, der diesen Stern eingehandelt hat, ist schon längst wieder weg, aber das erwähnt sie nicht).

Anschließend erläutert sie uns die Funktionsweise des Aufzugs. Der Schlüssel muss vor eine Platte gehalten werden, danach kann man ein Stockwerk auswählen. Gar nicht einfach!


Zimmer

Der Aufzug hält in der Etage, in der sich unser Zimmer befindet. Die langen Flure sind erfreulicherweise hell, wirken edel, sind aber sehr unterkühlt (ich meine jetzt nicht die Temperatur, die war okay). Die überall bereitstehenden Aschenbecher sind mit Sand gefüllt, in dem sich das Logo des Hauses als Abdruck befindet.

Durch einen der sehr langen Flure erreichen wir unser Zimmer. Als wir die Tür öffnen, schaltet sich das Licht automatisch ein, wir sind beeindruckt. Man betritt einen schmalen holzgetäfelten Flur, von dem links eine Tür zur vom Bad separaten Toilette abzweigt. Rechts befindet sich ein eingelassener Schrank.
Das eigentliche Zimmer ist stilvoll mit den gleichen Holzmöbeln ausgestattet. Alles wirkt sehr edel, doch auch hier: unterkühlt. Das Zimmer ist groß für ein normales Hotelzimmer, bei dem Preis durfte man aber auch etwas Komfort erwarten (es gäbe ja auch noch die Präsidentensuite für 6.000 €/Nacht).

Links am Bett vorbei führt ein weiterer Zugang zu Bad und Toilette. Wenn wir Gäste im Zimmer empfangen, können diese also die Toilette über den ersten Zugang betreten, ohne in unser Bad gehen zu müssen. Wir sind erleichtert. Unsere Intimsphäre ist gewahrt! Nun ja, in der Toilette gibt es kein Waschbecken. Müssen wir sie vielleicht doch in unser Bad lassen, es sei denn unsere Gäste legen keinen Wert auf Hygiene?

In der Schublade eines Nachttisches befinden sich Tasten, die gleiche Apparatur ist neben der Türe befestigt. Mit diesen Tasten kann man das Licht des gesamten Zimmers steuern. Man steuert außerdem die kleinen Leuchtanzeigen draußen vor der Tür (bitte nicht stören, bitte Zimmer aufräumen) und kann die Klingel vor der Zimmertüre aus- und einschalten.

Eine üppige Obstschale empfängt den Gast und stillt unseren ersten Hunger. In einer Vitrine befinden sich Merchandising-Artikel wie Adlon-Pralinen, Aschenbecher mit Logo und so weiter. Die Preise hängen auch dabei und sorgen dafür, dass wir die Finger davon lassen.

Selbstverständlich gibt es Minibar, Fernseher und Safe. Im Einbauschrank befinden sich praktische Dinge wie Schuhputzutensilien, die man aber eigentlich nicht braucht, denn das Schuhwerk stellt man hier einfach nachts vor die Tür und erhält es am nächsten Morgen in einem gepflegten Stoffbeutel perfekt gewienert wieder zurück.


Zwischenfall

Nachdem wir ausgepackt und etwas ausgeruht haben beschließen wir, ein bisschen durch die Stadt zu gehen und uns umzusehen. Den Fotoapparat haben wir im Auto vergessen, deshalb fahren wir mit dem Aufzug in die Tiefgarage, um ihn zu holen. Hier erwartet uns eine böse Überraschung: An einer Felge prangen nicht zu übersehen mächtige gelbe Streifen, die vorher bestimmt nicht dort gewesen sind. Was unseren Verdacht bekräftigt ist, dass die Bahneinfassung in der Tiefgarage im gleichen Gelbton gestrichen ist.

Wir begeben uns also zu Rezeption und machen eine entsprechende Meldung. Nach kurzer Überprüfung des Schadens wird die Angelegenheit von einer höheren Angestellten des Hauses sehr freundlich und unkompliziert abgewickelt. Den Schaden hat die Versicherung des Hotels übernommen, wir erhalten zum Trost eine Flasche Sekt, Hausmarke, und ein paar Pralinen. Prost!


Abendessen

Wir haben einen Tisch im Erdgeschoss-Restaurant, draußen auf der Terrasse bestellt. Nachdem uns unser Tisch zugewiesen worden ist, erhalten wir recht schnell die Karte. Wir bestellen vorab einen Martini-Cocktail, der kommt recht schnell und ist ziemlich süß.

Als Vegetarier haben wir ein gewisses Problem mit der Auswahl auf der Karte. Es gibt einfach nichts. Auf unsere Frage hin begibt sich die völlig ratlose Kellnerin in die Küche, um den Chef persönlich zu fragen. Sie kommt mir sehr innovativen Vorschlägen zurück: Nudeln oder Gemüseteller. Na, toll!

Wir entscheiden uns für den Gemüseteller. Vorab wählen wir einen Salat, zu dem Ganzen einen Wein und eine Flasche Wasser. Der Salat kommt recht zügig, allein was ausbleibt sind Wasser und Wein. Da die Salatblätter dann doch etwas trocken meine Kehle hinab knirschen, frage ich schließlich nach, wo denn die Getränke bleiben. Die Getränke sollten erst zum Hauptgang serviert werden, ist die Antwort. Merkwürdige Sitte…

Auf mein eindringliches Bitten hin, die Getränke doch ausnahmsweise auch schon zur Vorspeise zu servieren, erhalten wir schließlich doch das Wasser. Die Weinflasche wird mir zwecks Kontrolle vorgehalten und ich sehe sofort, dass das nicht der Jahrgang ist, den ich bestellt habe. Völlig aufgelöst eilt die Kellnerin mit der Flasche ins Haus zurück.

Nach einer Weile kommt sie sichtlich betreten zurück und setzt mit ihrer Erklärung ein. Der Wein, der auf der Karte ausgeschrieben wird sei, nunja, sozusagen vergriffen, oder vielleicht habe es den auch nie gegeben und auf der Karte sei ein Druckfehler, jedenfalls dieser Jahrgang sei einfach nicht im Hause. Um sie aus der ihr sichtlich peinlichen Situation zu befreien sage ich jovial, ist schon gut, wir nehmen den anderen Jahrgang.

Der Salat, ein Turm aus frischen Blättern ist sehr gut. Der Hauptgang, der uns danach mit großem Tamtam unter einer Cloche serviert wird, lässt hingegen zu wünschen übrig. Ein wenig Gemüse mit drei Pellkartöffelchen, nicht schlecht zubereitet, aber sehr einfallslos und geschmacklich keinerlei Herausforderung. Und außerdem: Als wir aufgegessen haben sind wir zwar satt, aber einfach nicht zufrieden.

So bestellen wir noch einen Nachtisch, der nun allerdings ein Gedicht ist: Äußerst ansprechend dekoriert werden uns Himbeeren an Sorbet in einem Nest aus Zuckerfäden serviert. Das Ganze schmeckt auch noch.


Lounge

Zum Abschluss begeben wir uns in die Lounge und genießen einen sehr guten Champagnercocktail für 16 € und einen alkoholfreien Cocktail mit frischen Brombeeren, der wirklich fantastisch ist. Das Gebäck auf einer Etagere wird selbstverständlich dazu gereicht und im Bedarfsfall sofort aufgefüllt. Wir befinden uns jetzt in der Hotelhalle, wo ein Pianist in der ersten Etage für unaufdringliche musikalische Untermalung sorgt. Der große Saal ist im Jugendstil dekoriert, in der Mitte plätschert ein Springbrunnen vor sich hin.


Frühstück

Am nächsten Morgen begeben wir uns zum Frühstücksbuffet in der ersten Etage. Das Buffet ist übrigens nicht im Zimmerpreis enthalten, sondern kostet stolze 26 € pro Person. Dafür ist es wirklich überwältigend, es gibt alles, woran man gedacht hat und vor allem auch alles, woran man nicht gedacht hat. Eigentlich wollten wir nur „à la Carte“ frühstücken, das wäre deutlich günstiger gewesen, und morgens essen wir außerdem für gewöhnlich eigentlich gar nichts. Am Eingang jedoch lässt man uns gar keine Wahl und trägt uns ohne weitere Erklärung für das Buffet ein.

Nach dem – wirklich guten, wenn auch nicht gewollten – Frühstück lehnen wir uns zurück und träumen von einer Zigarette. Am Nebentisch wird geraucht, aber auf unserem Tisch befindet sich kein Aschenbecher. Einen vorbeieilenden Kellner spreche ich an und bitte um einen solchen. „Sofort!“ erwidert er beflissen und eilt weiter seines Weges. Wir warten.

Wir warten. Wir warten noch immer. Die Raucherlunge meldet sich gequält, so warten wir nicht mehr länger, sondern zünden unsere Zigaretten auch ohne Aschenbecher an. Er wird schon kommen! Wir rauchen. Der Kellner eilt erneut an uns vorbei. Ich rufe ihn herbei und erinnere an den Aschenbecher, die Zigarette, deren Asche zusehends länger wird, demonstrativ vor mich haltend. „Kommt sofort!“

Die Asche wird bedrohlich länger, allein, der Aschenbecher bleibt aus. Wir taxieren die auf dem Tisch befindlichen Gegenstände. Eventuell eine Untertasse?

Eine Kellnerin eilt vorbei. Mein verzweifelter Hilfeschrei muss sie bewegt haben, denn quasi im Handumdrehen und in allerletzter Sekunde erhalten wir unseren Aschenbecher…


Spa-Bereich

Nach dem Frühstück und vor der Love Parade suchen wir noch den Spa-Bereich auf. Man erreicht ihn mit einem separaten Aufzug, der nur Badegästen vorbehalten ist, damit man von niemandem, der nicht selbst im Bademantel ist, in dieser Kluft gesehen wird. Der Spa-Bereich ist im römischen Stil dekoriert, am Eingang erhält man Handtücher. Neben dem schönen Pool gibt es Sauna, Massage und was der Wellness-Mensch sonst noch begehrt.


Kosten

Eine Übernachtung im Doppelzimmer kostet uns 360 €. Dieser Preis versteht sich ohne Frühstück. Das Frühstücksbuffet kostet pro Person zusätzlich 26 €. Der Stellplatz in der Tiefgarage ist selbstverständlich auch nicht inklusive sondern kostet uns ca. 30 € pro Tag. Insgesamt, mit Abendessen, werden wir bei zwei Übernachtungen gut 1.500 € los.


Fazit

Elegantes Haus mit miserablem Service, der vielleicht in einem Biergarten akzeptabel wäre. Zu teuer für das, was geboten wird.

13 Bewertungen, 1 Kommentar

  • April

    07.06.2004, 23:11 Uhr von April
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein äußerst interessanter Bericht! Da ist dem Personal ja so mancher Fauxpas unterlaufen! Wer hätte dies im Adlon vermutet!??? Unglaublich, dass es schon eine Herausforderung darstellt, etwas vegetarisch schmackhaftes zu speisen!!!?? Gr&uum