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Tests und Erfahrungsberichte
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Was Sie schon immer über Aldi wissen wollten...
27.11.2002, 14:35 Uhr von
babyjo1
Wie mein Name schon sagt, bin ich noch sehr klein. Deshalb dreht es sich in meinen Beiträgen auch...5Pro:
interessant Infos von Unternehmensinsider
Kontra:
keine Trivialliteratur
Empfehlung:
Nein
Was Ihr schon immer über Aldi wissen wolltet, erfahrt Ihr in diesem Buch: Dieter Brandes "Konsequent einfach - Die Aldi Erfolgs-Story" vom Camous/Heine-Verlag.
Wie kann ein Unternehmen mit 600 Artikeln und einem seit Jahrzehnten unverändertem Geschäftskonzept Milliardenumsätze machen und sich unabhängig von Konjunktur und Konkurrenz behaupten? Die Antwort auf diese und viele weitere Fragen gibt Dieter Brandes, längjähriger Geschäftsführer und Mitglied des Verwaltungsrates bei Aldi.
Ausführlich und mit dem Verständnis eines Insiders gibt er Einblick in die geradlinige Unternehmenskultur, die Struktur und Strategien von Aldi. Es ist ein Sachbuch, dass aber recht flüssig und interessant zu lesen ist. Ein bisschen Interesse für den Einzelhandel, bzw. betriebswirtschaftliche Fragen sollte man aber schon mitbringen.
Wie Aldi mit Verzicht auf externe Marktforschung, Unternehmensberatung, Controlling, Jahresplanungen oder Verkaufspsychologie trotzdem die Konkurrenz immer wieder aufs Neue schlägt, kann man aus diesem Buch ebenfalls erfahren.
Ich habe es gekauft, weil ich einige Jahre bei Aldi gearbeitet habe und damit alles natürlich sehr interessant für mich war. Denn auch als Mitarbeiter weiß man nicht zwangsläufig, wieso Aldi der erfolgreichste deutsche Discounter ist.
Wer weiß z.Bsp., dass sich Aldi über einen hohen Tarifabschluß mit den Gewerkschaften eher freut als ärgert? Warum? Weil Aldi durch seinen geringen Personalkostenanteil am Umsatz von hohen Lohnforderungen weit weniger getroffen wird, als seine Konkurrenz. Hohe Tarifabschlüsse verschaffen Aldi also jedes Mal einen Wettbewerbsvorteil.
Jeder der sich für Ökonomie und Handel interessiert, sollte dieses Buch (gibt`s z.Bsp. als Paperback für 9 € bei Amazon) unbedingt lesen. weiterlesen schließen -
Horror, Phantasie und Sex
09.11.2002, 17:01 Uhr von
Volker111
Leben und leben lassen! Musik, Literatur und Lebensfreude ist es, was ich liebe. Engagiere mich h...Pro:
Romantik, schöne Sprache
Kontra:
Vorurteile, zu idealisiert
Empfehlung:
Nein
CIAO-Userin pieohpah weckte mein Interesse an Clive Barker durch einen ihrer lesenswerten Berichte. Allerdings sehe ich bei Clive Barker nicht so sehr den Kampf von Gut gegen Böse, dazu wechseln auch zu oft die Fronten. Genug der Vorrede.
Clive Barker Stadt des Bösen, besser Everville
(1995 als Taschenbuch im Heyne Verlag München erschienen, bei amazon.de früher zu 16,90 DM bestellbar)
Vordergründig geht es um die besondere Geschichte einer erträumten Stadt, wobei Fiktion und Realität ständig wechseln, die Übergänge fließend, ja miteinander verwoben sind, eigentlich aber geht es um das Nutzbarmachen der "Kunst", nach deren Macht bestimmte Wesen, Menschen streben, teils gezielt, teils unbewusst.
Was ist nun die "Kunst", die unabhängig von den geschilderten Einzelschicksalen, auch als Geschichten zu bezeichnen, das Leitmotiv des Romans darstellt?
Im Vorwort, zu Beginn vom Leser nicht zu verstehen, auch später eher zu erahnen, finden wir diese Erklärung:
"Erinnerungen, Träume und Phantasiegespinste - Vergangenheit, Zukunft und der Augenblick des Traumes dazwischen - bilden ein Land, das einen einzigen, unsterblichen Tag lang existiert.
Das zu wissen, ist Weisheit.
Es sich nutzbar zu machen, ist die >Kunst<."
Diese Definition stellt ein mehrfaches Paradoxon dar. Ein Tag ist etwas endliches. Er hat einen Beginn, einen Ablauf und ein Ende mit verschiedenen Stadien. Er kann sich wiederholen. Doch das, was ein Ende hat, kann nicht unsterblich sein. Geburt, Leben, Tod bedingen einander. In der Unsterblichkeit gäbe es keine Erneuerung. Die Formen des Seins blieben ebenfalls konstant. Veränderungen haben einen Beginn und ein Ende.
Jeder Traum braucht einen Träumenden. Selbst Träume unterliegen Gesetzmäßigkeiten. Doch genug dieser Gedankengänge.
Das Typische dieses Fantasieromans ist eben gerade die Aufhebung aller Gesetzmäßigkeiten, die Aufhebung von Seinsgrenzen, die Erschaffung vieler Paradoxa, welche im Grunde genommen jede Sicherheit, jeden Abschluss in Frage stellt, da kein Ereignis je als endgültig angenommen werden kann.
Die Übersetzung oder der Druck des Romans ist zudem an einigen Stellen merkbar falsch.
Im Grunde genommen kann man nicht vom Kampf des Guten gegen das Böse sprechen.
Es werden verschiedene Wesen im Kampf miteinander geschildert, wobei diese oft selbst nicht mehr wissen, warum sie miteinander kämpfen. Häufig geht es um die Erlangung von Macht oder die Erlangung einer "höheren" Existenzform.
Es ist daher recht schwierig, den roten Leitfaden des Handlungsablaufes wiederzugeben.
Eine, vielleicht die wichtigste Kernlinie möchte ich darstellen.
Im Frühjahr 1848 zieht ein Treck von Independence, Missouri nach Westen, unter ihnen Harmon O´Connell mit seiner 12jährigen Tochter Maeve. Owen Buddenbaum hat diesem Mann den Traum der Erschaffung einer Stadt eingepflanzt, wobei er bei Gelingen der Verwirklichung dieses Traumes ein besonderes Amulettkreuz an der Hauptkreuzung vergraben lässt, welches im Laufe der nächsten Jahrzehnte Energie/Macht ansammelt, die er ca. 150 Jahre später nutzen will.
Harmon O´Connell wird zwar erschossen, doch seine Tochter, die ein Wesen aus einer anderen Welt heiratet, schafft es Everville zu verwirklichen.
Sie, ihr Mann und ihr Sohn werden in einer Art Lynchjustiz erhängt. Doch sie überlebt. Im Glauben, dass ihr Sohn tot und von Wölfen gefressen sei, wechselt sie in die Parallelwelt, wo sie durchaus erfolgreich wieder ein Bordell leitet.
Ihr Mann geistert als Toter wie andere tote Seelenwesen weiter durch Everville. Ihr Sohn Kissoon, der ebenfalls überlebte und Vater und Mutter tot wähnte, führt einen Rache- und Vernichtungszug gegen die "Sapas humana".
Während der jährlichen Gründungsfeier in Everville kommt es zu den entscheidenden "Duellen".
Mehr will ich vom doch recht komplexen Handlungsstrang nicht vorwegnehmen.
Verpackt in diesen traumatischen Machtkampf phantasievoller Wesen sind romantische Liebesgeschichten garniert mit der Beschreibung derb-sinnlichen Sexszenen.
Meine persönliche Bewertung:
Spannung kann man diesem 779 Seiten langen Fantasie- und Horrorroman nicht absprechen.
Logik darf man nicht erwarten, dafür gibt es außer der Durchbrechung bzw. Aufhebung vieler physikalischer Gesetze zum Teil fast psychedelische Beschreibungen verschiedener Empfindungen.
Von der Sprache her bleibt die Ausleuchtung der Charaktere der Helden und Opfer eher oberflächlich. Sie werden vorrangig durch ihre Reden und Handlungen halbwegs vorstellbar.
Mit Stephen Kings stufen weiser Entwicklung der Persönlichkeit seiner Haupt- und Nebenpersonen kann hier Clive Barker in keiner Weise konkurrieren.
Gegenständliche Beschreibungen, z.B. von Häusern, Einrichtungen, Naturumgebung etc. sind aus meiner Sicht leider auch nur sehr schwach ausgeprägt.
Die Stärke liegt im Action- und Ideenreichtum unerwarteter Abläufe.
Daher, so sehr ich auch die phantastische Reise von der Spannung her genossen habe, jetzt brauche ich zur sprachlichen Erholung einfach wieder etwas echt Literarisches.
Trotzdem würde ich diesen Roman von Spannung und Fantasie her durchaus noch empfehlen.
Er liest sich nämlich andererseits durch die einfachere Sprache recht schnell.
Also, viel Spaß und gute Nerven auf der Reise nach Everville, der ewigen Ortschaft, oder ist die gezählte Einwohnerschaft von 7304 Köpfen wirklich den Namen Stadt wert?
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-03-18 20:18:15 mit dem Titel Spannung von der 1. bis zur letzten Seite
Die siebte Geißel Ann Benson - GOLDMANN Verlag, Taschenbuch 18 DM, 637 Seiten, aktuell als Sonderausgabe zu 7,50 € bei amazon.de
**** Vorwort ****
Vorweg, ich hoffe, dass die Qualität der Übersetzung doch erheblich über der Qualität der Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches, aber auch der etwas ausführlicheren innen, liegt.
Sicher, ein zeitlich sehr weit entfernter Handlungsstrang, beginnend 1348, wartet auf und beeinflusst entscheidend den zweiten Handlungsablauf im Jahre 2005. Dies in möglichst kurzer Form, ohne zu viele Einzelheiten des Inhalts zu verraten, wiederzugeben, ist nicht einfach, doch sollten grobe Fehler einem Verlag einfach nicht passieren.
***** Inhaltsanriss mit einigen Richtigstellungen der Buchinhaltsangabe ****
Im 14. Jahrhundert in der spanischen Stadt Cervere, Aragon wird der junge jüdische Arzt Alejandro Canches beim Zurückbringen einer von ihm einer Autopsie unterzogenen Leiche eines Christen überrascht. Diesen hätte er als jüdischer Arzt nicht behandeln dürfen, doch sein jugendlicher Idealismus hatte ihn leichtsinnig handeln lassen. Er möchte durch die Leichenöffnung mehr über die Todesursache und bessere Therapiemöglichkeiten in Erfahrung bringen.
Doch Autopsien waren jeder medizinischen Fakultät nur einmal jährlich nach einem strengen Reglement gestattet und ansonsten streng verboten. Ein generelles Verbot mit der festen Verknüpfung der Todesstrafe wie es in der Inhaltsangabe des Buches steht, gab es nicht. Allerdings verfuhr man mit HEIDEN generell sehr streng.
Seinem reichen einflussreichen Vater gelingt es, durch Streichung der Schulden des Bischofs Johann von Aragon die Freilassung und Ausweisung samt sicheren Geleits seines Sohnes zu erwirken. Doch der Bischof hält sich nur zum Teil an die Abmachungen. Heimlich bereitet er die Verbannung der gesamten jüdischen Familie und die Beschlagnahmung sämtlicher ihrer Besitztümer vor. Außerdem verfügt er zwar die Freilassung, doch zusätzlich die Brandmarkung des jungen Arztes als Jude.
Die Familie erfährt rechtzeitig vom betrügerischen Vorhaben des Bischofs und kann einen Teil ihres Besitzes retten. Alejandro schafft es mit etwas Glück, 'nur' auf der Brust gebrandmarkt zu werden. Nach seiner Freilassung besucht er auf seiner Ausweisungsreise nach Avignon, Papstresidenz, zuvor den Bischof von Aragon und ermordet ihn aus Rache für den Betrug und die Misshandlungen.
Dann flieht er in Begleitung des ihm zugeteilten christlichen Spaniers Hernandez nach Avignon, in der Hoffnung, dort als Arzt zu praktizieren und seine Familie wieder zu treffen.
Er flieht also mitnichten durch ganz Europa, (von Nordostspanien nach Südfrankreich) welches auch nicht in den Händen der spanischen Inquisition ist, denn die wurde erst 1478 auf Betreiben Ferdinands II., des Katholischen und seiner Gemahlin Isabella I. und mit Unterstützung des Papstes eingerichtet. Ein glatter Anachronismus in der Inhaltsangabe des Buches!
Europa ist in den Händen der Beulenpest, die vor arm oder reich, Christ oder Heide, keinen Unterschied macht.
In Avignon (Papstresidenz von 1309 bis 1376) stirbt trotz all seiner Bemühungen auch Hernandez. Dessen Identität übernimmt er, als er die Chance erhält, vom Leibarzt des Papstes eine besondere medizinische Ausbildung zu erhalten, um zu helfen, die Ausbreitung der Pest zu bekämpfen. Von wechselnden Identitäten kann also nicht die Rede sein!
Aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten wird er als Leibarzt nach London, zum König Eward III. geschickt, um diesen und seinen Hofstaat durch Durchführung einer strengen Quarantäne zu schützen.
Dort, und nicht in Avignon, trifft er auf die Liebe seines Lebens, der Gräfin Adele. Doch das dramatische Geschehen wird mehr durch seinen Kampf gegen die Pest bestimmt, einem Kampf, in dem er mystische Unterstützung erhält. Gleichzeitig wird hier die Grundlage der zweiten Handlung geschaffen.
Diese zweite Handlung, im Roman wechselnd erzählt, fasse ich jetzt etwas kürzer.
Die Welt hat eine bakteriologische Katastrophe hinter sich. Die amerikanische Chirurgin Janie Crown verliert wie viele ihre ärztliche Zulassung, erhält aber die Chance einer Umschulung zur forensischen Archäologin.
Bei ihren Bodenproben in England stößt sie auf die Reste eines von Alejandro vor über 650 Jahren auf der Flucht vergrabenen, verseuchten Kleidungsstückes. Durch eine Verkettung verschiedener Fehlverhalten und Unfälle erwacht Gertrud P. coli, das Bakterium Yersinia pestis, zum Leben. Eine weitere Katastrophe bahnt sich an. Wird sich die Geschichte des Schwarzen Todes wiederholen?
**** Eigene Eindrücke ****
Mag die Inhaltsangabe des Verlages auch noch so schlecht sein, der Inhalt des Romans ist jedenfalls was Vergangenheit und Zukunft betrifft, hervorragend recherchiert und stimmig.
Die Illustration des Buches mit dem Aufzeichnungen des mittelalterlichen Buches Alejandros wirkt auf mich als sehr gelungen, spielt dieses handgeschriebene Buch doch in beiden Handlungssträngen eine wichtige, bedeutsame Rolle.
Der amerikanische Titel, The Plagues Tales, trifft wieder einmal wesentlich besser als der deutsche Titel, Die siebte Geißel, wobei noch zu befürchten ist, dass manche aus Geißel sinnentstellend Geisel machen, was ich des öfteren schon hier und anderswo gelesen habe.
Beide Welten, die sterile und trotzdem gefährdete Zukunftswelt, die grausame, von Machtmissbrauch, Unterdrückung, Scheinheiligkeit und Aberglauben geprägte Welt des 14. Jahrhunderts, werden anschaulich und glaubwürdig beschrieben. Beide Welten sind durch eine nicht zu große Portion mystischer, magischer Macht miteinander verbunden, die jedoch sehr entscheidend die Handlungsergebnisse beider Erzählungen beeinflusst.
Beide Erzählungen enthalten alle wesentlichen Elemente eines extrem spannenden, dramatischen Geschehens, eine Grundidee im Widerstreit der Gefühle, Tod und Trauer, romantische Liebe, Glaube, Hoffnungen, Enttäuschungen, das Gefühl, für eine Aufgabe eine Bestimmung erhalten zu haben, Gefahr und Rettung.
Mit bedingt durch die poetische Kraft der Sprache konnte ich den Roman, einmal begonnen, kaum noch aus der Hand legen. Trotz der mehr als 600 Seiten fieberte ich bereits am zweiten Tage dem Ende entgegen.
Dieses Buch kann ich auf jeden Fall wärmstens weiter empfehlen.
Zum Abschluss noch eine kleine Leseprobe, S. 6, letzter Abschnitt:
'...Er zog eine Feder, die als Lesezeichen diente, zwischen den Seiten des Buches hervor, streckte die Hand aus und hielt die Feder vor Mund und Nase der alten Frau; alle paar Augenblicke bewegten sich die zarten Federstrahlen ganz leicht vom schwachen Hauch ihres Atems. Doch nach ein paar weiteren langen, stockenden Atemzügen hörte die Bewegung schließlich auf, und die Feder in seiner Hand regte sich nicht mehr.
Er hielt sie noch eine Zeit, die ihm sehr lang vorkam, bevor er ganz überzeugt war, dass seine Mutter gegangen sei. Dann senkte er den Kopf und weinte lautlos; seine Tränen fielen wie sanfter Regen auf den modrigen Einband des Buches.'
Ist dies nicht wirklich eine schöne, ausdrucksstarke, poetische Sprache?
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-11-09 16:01:35 mit dem Titel Der Lehrer als idealer Ehemann
••• Schüler und Lehrer, was hat sich geändert? ••• *gg*
Passend zu den endlosen Diskussionen über PISA-Studie und Konsequenzen diesmal zu Beginn eine leicht abgeänderte Leseprobe, Klammern von mir zum besseren Verständnis eingefügt, die Punkte ... um nicht zu viel zu verraten. *gg* :
"Es erforderte keine sonderlich genaue Beobachtung, den Charakter der Jugendlichen aus... herauszufinden, aber es bedurfte eines gewissen Feingefühls, die eigenen Maßnahmen (des Lehrers) ihren Fähigkeiten anzupassen.
Ihr (das der Schüler) intellektuelles Vermögen war im allgemeinen schwach, ihre körperlichen Bedürfnisse ausgeprägt. So lagen zur selben Zeit Unfähigkeit und eine Art von schwerfälliger Kraft in ihrer Natur; sie waren schwer von Begriff, aber sie waren auch einzigartig dickköpfig, schwer wie Blei und, genau wie Blei, höchst schwierig zu bewegen.
So wie der Fall lag, wäre es wahrscheinlich absurd gewesen, von ihnen große geistige Anstrengungen erzwingen zu wollen.
Da sie nur über ein kurzes Gedächtnis, beschränkte Intelligenz und schwaches Denkvermögen verfügten, erschreckten sie mit Schaudern vor jeder Tätigkeit zurück, die genaues Studium oder tieferes Nachdenken erforderte. Wäre die verhasste Leistung durch unüberlegte und willkürliche Maßnahmen seitens des Lehrers aus ihnen herausgepresst worden, hätten sie wie eine halsstarrige, quiekende, verzweifelte Herde von Schweinen reagiert: obschon als einzelne nicht tapfer, so doch unbarmherzig in ihrem Treiben in der Klassengruppe.
Ich erfuhr, dass vor meinem Eintreffen in... der vereinte Ungehorsam der Schüler die Entlassung von mehr als einem ...Lehrer bewirkt hatte."
Gut, die Formulierungen zur Beschreibung der Schüler und des Lehrers sind bei aller drastischen Deutlichkeit doch zu bildhaft und poetisch, als dass sie unmittelbar von heute sein könnten. Doch nun ratet mal, möglichst ohne vorher weiter zu lesen, wann diese scheinbar zeitlosen Zeilen aus der Sicht eines später aus eigener Sicht außerordentlich erfolgreichen Pädagogen stammen?!
Vor zehn Jahren, zwanzig, fünfzig oder hundert? Oder doch erst vor kurzem?
Wer behauptet da, auf die richtige Zahl von sage und schreibe 152 Jahren gekommen zu sein?
Setzen, weil irgendwie gemogelt! *gg* Kompliment allen, die annähernd die richtige Jahreszahl erahnten.
••• Gründe, den über 150 Jahre alten Roman zu lesen •••
Vorweg, der Roman ist nur so gespickt von Vorurteilen, Schablonen und Stereotypvorstellungen der damaligen Zeit. Allerdings auch faszinierend, wie es gleichermaßen Katholiken, Deutsche, Flamen und Franzosen trifft, natürlich auch Frauen.
Trotzdem, ein kleiner Hauch des Strebens nach Emanzipation zumindest im beruflichen Bereich wird deutlich, auch wenn im trauten Eheglück der Mann Herr und Meister, selbst aus Sicht der Frau zu bleiben hat. Eine Frau ohne Mann hat ihrem Leben keinen Sinn gegeben, mag sie noch so tugendhaft gelebt haben. Einige Beispiele der unbeirrbaren Wertvorurteile werde ich etwas später noch zitieren.
Doch was spricht nun wirklich fürs Lesen des Romans?
Zu aller erst, einfach die bildhafte, sehr schön differenzierte Sprache, angereichert mit einem kleinen Französisch Kurs der Konservation. Doch keine Angst, am Schluss des Buches sind 107 Anmerkungen, in denen man die Übersetzungen der französischen Dialoge findet.
Der Roman stellt einen idealistisch verklärten Lebenslauf mit jeder Menge Romantik des "Professors" (Lehrers) William Crimsworth und seiner Schülerin und späteren Ehefrau Frances dar. Seine Laufbahn beginnt als Englischlehrer an einer Schule in Brüssel.
Bevor sich jedoch findet, was zusammengehört, müssen diverse mehr oder weniger gefährliche Anfechtungen für den jungen Lehrer erfolgreich überstanden werden.
Hilfreich sind dem englischen Junglehrer dabei seine protestantische Religion und sein britisches Naturell, um den bösen katholischen Versuchungen des Kontinents zu widerstehen.
Seine spätere Braut sehnt sich als Halbengländerin, Vater Schweizer, Mutter Engländerin, dann bei der Tante in Belgien aufgewachsen, auch nach der aufrechten protestantischen Lebensweise gebildeter Briten. Nun, wer sich in Vorurteilen und in gegenseitiger Attraktivität einig ist, passt zumindest in einem Roman zusammen und kann auch durch böse Intrigen einer mächtigeren Rivalin (Direktorin der Mädchenschule) nicht getrennt werden. *g*
Auf jeden Fall erwartet alle ein wunderschönes Happy-End, wobei dann die Ehejahre mit Geburt eines Sohnes nur noch einen recht kleinen Teil des Romans ausmachen, so wie in früheren Filmen mit der Hochzeit alles Wichtige abgeschlossen und das Lebensziel erreicht wurde.
Genug des Inhalts, gehen wir zur Schriftstellerin über.
••• Über die Verfasserin des romantischen Liebes- bzw. Schicksalsromans •••
(Quelle Klappentext des ars vivendi Verlags und Internetseiten)
"Charlotte Brontë (1816-1855) wuchs als älteste der drei schreibenden Brontë-Schwestern in der weltabgeschiedenen Pfarrei ihres Vaters in der kargen Hügellandschaft der einsamen Moore Yorkshires auf. Ohne Mutter und... sich weitgehend selbst überlassen, erhielten die Kinder nur sporadisch Unterricht. In ihrer Einsamkeit dachten sie sich umfassende Fabelwelten aus...
1842 nahm Charlotte B. ...an einem Sprachkurs in Brüssel teil. Dort unterrichtete sie am Pensionat Heger zwischen 1843 und 1844 und verliebte sich unglücklich in Monsieur Heger."
Ihr Roman "Der Professor" ist also die Verarbeitung dieser Erlebnisse (geschrieben 1846, erschienen posthum 1857), allerdings aus der Sicht des Lehrers geschrieben und mit einer erfüllten Liebe endend.
Auch in ihrem Roman Vilette versuchte sie ihre unerfüllte Liebe zu verarbeiten.
"Berühmt wurde sie jedoch durch Jane Eyre veröffentlicht 1847 unter dem Pseudonym Currer Bell. Sie starb mit 39 Jahren an Tuberkulose, ein Jahr nach ihrer Eheschließung mit dem Pfarrer Arthur Bell Nichols.
Aus ihrem kurzen Lebenslauf erklären sich einige "Schwächen" des Romans. Ihr fehlten schlichtweg die eigenen Lebenserfahrungen, um hier realistischer schreiben zu können.
••• Beispiele zu angeblichen Nationaleigenschaften, Eigenschaften Frauen, Männer •••
S. 75 " Pelets Haus und Küche wurden von seiner Mutter geführt, einer echten, alten Französin. Sie war einst hübsch gewesen...Jetzt war sie hässlich, wie es nur alte Frauen auf dem Kontinent sein können..."
S. 78 " Im Allgemeinen nehmen sich die älteren Frauen auf dem Kontinent, oder doch zumindest die in Belgien, eine Freiheit der Manieren, der Rede und des Aussehens, vor der unsere (englischen) ehrenwerten granddames als absolut ungehörig und dem guten Ruf abträglich zurückschrecken würden..."
S. 245/246 "In der Vorstellung, der vorausschauende Beschützer des Menschen zu werden, den man liebt - ihn zu ernähren und zu kleiden, wie es Gott mit den Lilien auf dem Felde tut - darin liegt etwas, was der Stärke eines Mannes schmeichelt, was seinen ehrlichen Stolz in Schwingungen versetzt."
S. 247 "...keine jener auffälligen Defekte an den Augen, an den Zähnen, der Haut, der Figur, welche die Begeisterung auch des kühnsten männlichen Bewunderers von Intellektualität (weiblicher) im Zaum halten. Andererseits können Frauen (im Gegensatz zu Männern) auch einen ausgesprochen hässlichen Mann lieben, wenn er nur klug ist..."
••• Ausblick und Bewertung •••
Für die damalige Zeit entwarf Charlotte Brontë ein schon beachtliches Bild einer annähernd gleichberechtigten Partnerschaft von Mann und Frau in der Ehe.
Erschreckend allerdings die einzig möglichen Reaktionen auf Unterdrückung in der Ehe:
S.278 "Ich hätte versucht, das Übel eine Zeitlang zu ertragen oder es zu kurieren; und wenn ich es unerträglich und unheilbar gefunden hätte, hätte ich meinen Peiniger still und heimlich verlassen."
... "Der Tod würde mich bestimmt sowohl vor den erbärmlichen Gesetzen als auch vor deren Folgen schützen."
Die Anmerkung 103 weist darauf hin, dass im frühen 19. Jh. der Ehemann von Rechts wegen nahezu uneingeschränkte Macht über seine Frau, die Kinder und den Besitz hatte und eine Scheidung faktisch nicht durchsetzbar war. Auch für eine misshandelte Ehefrau war es so gut wie unmöglich, ihren Verhältnissen zu entfliehen.
Diesen Hintergrund muss man beim Lesen einfach berücksichtigen. Die ersten Seiten des Romans gefielen mir nicht so, doch etwa ab der Reise nach Brüssel (Kapitel 7) bis zum 25. Kapitel war es ein Ausflug in eine romantisch verklärte, idealisierte aber schöne, gefühlvolle Welt der Vergangenheit, zudem fast fortlaufend ein sprachlicher Genuss. Der Schluss mit der Erziehungsproblematik des kleinen Sohnes Viktor wirkt jedoch arg unrealistisch und irgendwie aufgesetzt, um auch dort einen versöhnlichen Abschluss zu erreichen.
Insgesamt würde ich den Roman allen romantisch veranlagten Lesern und allen eine differenzierte Sprache schätzenden Lesern empfehlen. Für mich war es ein literarisches Kleinod aus einer anderen Epoche.
Die Originalausgabe erschien 1857 unter dem Titel The Professor in London bei Smith, Elder & Co, mein Buch (302 Seiten) gehört zur 3. Auflage (1993) des 1990 im ars vivendi Verlag erstmalig in Deutschland herausgegeben Buches.
Bei Amazon gibt es den Roman broschiert im Insel-Verlag neu für 10,90 , gebraucht ab 5,90 Euro zu kaufen. Echte Fans kaufen den "Doppelpack" Der Professor und Vilette zu 27 Euro.
Meine Ausgabe, gebunden, kostet bei amazon 17,50, gebraucht ab 8,99 Euro.
4 Sterne verliehen die Amazon-Kunden diesem Buch.
Viel Spaß beim Lesen. weiterlesen schließenKommentare & Bewertungen
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Burgess, Anthony: Uhrwerk Orange
Pro:
facettenreiche intelligente Sprache
Kontra:
Moralkeule, sehr interpretationsbedürftig
Empfehlung:
Nein
Konditionierung erster Klasse
Anthony Burgess Roman „Uhrwerk Orange“, zu Weltrum - wie so viel gute Literatur - erst durch die Verfilmung von Stanley Kubrick gekommen, hat vor allem eines in diesem Roman perfekt betrieben: Nämlich eine besondere Art der Sprache oder des Jargons, die so durchgängig den Roman durchzieht, dass es mich total fasziniert hat.
Doch zunächst zum Inhalt: Alex ist ein Krimineller bester Couleur, ein richtiges Monster. Scheinbar gefühllos mordet, vergewaltigt und prügelt er sich durch sein Leben. Ein hoffnungsloser Fall? Nicht für die Therapeuten, die ein neues Programm zur Konditionierung krimineller Subjekte erfunden haben: die Ludovico-Therapie.
Mit Hilfe verschiedenster Apparaturen (z. B. Klammern, die die Augen aufhalten) werden den Teilnehmern dieser Therapie verschiedene Filmsequenzen vorgeführt, die zum Ziel haben, dass sofortige Übelkeit und Brechreiz den Teilnehmer überfällt, sobald er dabei sexuelle oder gewalttätige Gefühle bekommt. Das verrückte ist – es funktioniert. Tatsächlich wird Alex bald nicht nur von Übelkeit ergriffen, wenn er die Filme unter der Therapie sieht – nein, auch als er versucht das Personal anzugreifen, muss er aufgeben, da wieder dieser Brechreiz hochkommt.
Aber funktioniert es wirklich? Ist Alex tatsächlich jetzt ein anderer Mensch geworden oder ist er in Wirklichkeit gar kein Mensch mehr mit echten Gefühlen und Gedanken? Ist er nicht mehr zu einem willenlosen Objekt geworden, dass mit Hilfe der Konditionierung zwar funktioniert aber nicht mehr wirklich lebt?
Für Burgess nur eine Orange mit einem Uhrwerk, daher der Titel.
Am Ende ist Alex ein Opfer der Rache all jener, denen er zuvor übelst mitgespielt hatte. Denn nun, dermaßen konditioniert, kann er sich nicht mehr wehren, da seine aggressiven Anteile ja wie gelähmt sind.
Dieses Buch ist nichts für sanfte Gemüter! Es ist hart, brutal, haarsträubend mitunter. Und zwar genauso die kriminellen Taten von Alex und Kumpanen zu Beginn wie auch die Therapie und deren Folgen.
Dabei ist es spannend, man liest mitunter vor Ekel geschüttelt doch weiter, wie von einem inneren Zwang getrieben.
Ich möchte noch einmal zurückkommen auf die sonderbare Sprache, auf die ich zu Beginn eingegangen bin und ein kleines Zitat bringen, um einen Eindruck davon zu vermitteln:
„Wie auch immer, sie befreiten meinen Plotti von dem Stuhl und nahmen die Klammern von meinen Lidern, so dass ich sie wieder öffnen und schließen konnte, und ich schloß sie, o meine Brüder, so groß war der Schmerz in meinem Gulliver und dann hoben sie mich in den alten Rollstuhl und fuhren mich zurück zu meinem malenki Schlafzimmer.“
In diesem Buch gibt es irrsinnig viele neue Wortschöpfungen, die einen Teil der Banden-Sprache von Alex und seinen Kumpanen darstellt. Wer vielleicht jetzt denkt, man verstehe das Buch nicht, sei beruhigt. Man hat sich sehr schnell eingelesen und bald seinen eigenen Sprachschatz um den der neu hinzugelernten Worte erweitert.
Ich fand das Buch absolut überzeugend – trotz oder gerade wegen all der Brutalität, die nichts beschönigt und nichts erklärt. Sie existiert einfach. Die Sinnfrage liegt aber wohl eher darin, ob durch Konditionierung tatsächlich wesentliche Merkmale des Menschen verändert werden können.
Das Buch erschien erstmals 1962 und passt damit zeitlich in einen Kontext, in dem die Verhaltenstherapie erstmals ihren Platz in der Psychologie begann zu behaupten und ist insofern sicher als Kritik an Verhaltenstherapie und Gehirnwäsche zu verstehen.
Es erschien bei Heyne als Taschenbuch unter der ISDN-Nr. 3-453-07465-3
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-05-20 19:48:09 mit dem Titel Howard Buten: Burt
Ein Lächeln unter Tränen
Lächelnd, während gleichzeitig oft die Tränen aus den Augenwinkeln flossen, ist wohl die beste Art zu beschreiben, wie ich dieses Buch gelesen habe.
Burt, ein achtjähriger amerikanischer Junge, kommt in ein Heim für verhaltensgestörte Kinder. Warum? Weil er etwas „schreckliches“ mit der kleinen Jessica angestellt hat. Dass dieses „Schreckliche“ vielleicht gar nicht so schrecklich gewesen ist, vermuten und erfahren wir erst spät, zu spät.
Der Autor Howard Buten ist Psychiater, Schriftsteller und Clown in einer Person, wie wir aus dem Vorspann erfahren. Er hat sich als Psychiater auf die Arbeit mit autistischen Kindern spezialisiert.
In seinem Roman „Burt“ gelingt es ihm sich in das Fühlen und Denken eines autistischen Kindes in unglaublicher Weise hineinzuversetzen. Und das auch sprachlich. Denn der ganze Roman ist aus der Sicht des Kindes geschrieben, bis auf die wenigen Passagen, in denen die ärztlichen Briefe und Berichte abgedruckt sind, die Burt im Heim in die Hände fallen. Hier ein kleines Zitat der Schreibweise dieses Romans: „Der Regen macht ein Geräusch: Pscht. Man hört es, wenn er runterkommt. Das ist der liebe Gott, der sagt, wir sollen still sein. ... Vom Wohnzimmer aus konnte ich die Küche riechen, wo Mami das Abendessen kochte. Auf dem Esstisch lag das gute Tischtuch, und da drauf standen die guten Teller aus dem Porzellanschrank, an den ich nicht drangehen darf, und die guten Gläser und das Besteck mit den Blümchen am Griff und Servietten aus Stoff statt aus Papier, die sehen aus wie kleine Minitischtücher.“
Neben dieser kindlichen Sprache ist es aber vor allem die Art und Weise, wie Burts Wahrnehmung funktioniert, die uns einen Einblick in seine Denk- und Fühlweise vermittelt. So z. B. wenn Burt sieht, dass ein Auto weint oder dass der Regen als lauter kleine Torpedos auf die Autos fällt und dass Burts Regenmantel einen Hut hat mit einem Loch für sein Gesicht.
Die eingeschobenen ärztlichen Berichte heben sich so natürlich sprachlich vollkommen von dem übrigen Buch ab und wirken auf diese Weise befremdlich. Das ganze Buch ist so voller Phantasie und kindlicher Sprache, dass dann eine Zeile wie diese hier: „..., sondern dass sich bei ihm in letzter Zeit Symptome paranoider Schizophrenie – unter anderem Halluzinationen über Mörder in meinem Sprechzimmer – manifestieren: ...“ im extremen Gegensatz dazu steht. Interessant ist dabei vor allem, dass die psychiatrischen Gutachten etwas widerspiegeln, was wir zuvor als aus Burts Sicht für völlig verständlich betrachtet haben.
In dem Heim trifft Burt auf einen jungen Therapeuten namens Rudyard Walton, der im hauseigenen Trainingsprogramm für Autisten seit kurzer Zeit tätig ist. Mit ihm hat Burt endlich den ersten Erwachsenen gefunden, der sich in seine Welt hineinversetzt und auf der gleichen Ebene mit ihm kommunizieren kann, so dass es zu echtem Verständnis und zum ersten Vertrauen kommt. Doch auch Rudyard muss bald wieder gehen ...
So ist das Buch auch ein Angriff auf konservative Psychiatrie und Kategorisierung von Krankheitsbildern, vielleicht auch von der Einordnung als Kranker überhaupt.
Das Buch berührt stark und wie bereits zu Anfang gesagt, hat es trotzdem so viele Passagen, die uns zum Lachen bringen, dass es ein Genuss ist es zu lesen.
Es ist bei Goldmann als Taschenbuch unter der ISBN-Nr. 3-442-42153-5 1992 erschienen. Die Originalausgabe erschien bereits 1981. In Amerika und Frankreich war das Buch ein absoluter Bestseller.
Ich kann keine besonderen Schwachpunkte an dem Buch erkennen und gebe ihm deswegen die Höchstnote.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-06-29 22:19:01 mit dem Titel Battaglia, Letizia: Sizilianische Fotos - Bilder gegen die Mafia
Bilder gegen die Mafia
Der Fotoband „Sizilianische Fotos“, Untertitel: Leidenschaft – Gerechtigkeit – Freiheit mit Fotos der italienischen Fotografin Letizia Battaglia enthält eine Zusammenstellung der Fotografien dieser politisch engagierten Künstlerin, hauptsächlich aus den 70er und 80er Jahren, in der die kriminellen Aktivitäten der Mafia in Sizilien und Italien ihre schlimmsten Auswüchse zeigten.
Die heute fast 70jährige Litizia Battaglia wurde in bürgerlichen Verhältnissen in Palermo geboren, wohnte dann aber in verschiedensten Gebieten Italiens, um später endgültig nach Palermo zurückzukehren. Zunächst vernahm ihr Leben einen für damalige italienische Verhältnisse ganz „normalen“ Verlauf. Sie heiratete mit 15 Jahren und bekam danach recht früh drei Töchter. Ihr Mann ließ sie kaum allein das Haus verlassen.
Erst mit über 30 konnte sie sich, nicht zuletzt durch die Hilfe eines Psychoanalytikers, aus diesen Fesseln befreien und zu dem werden, was sie eigentlich immer gewesen war. Einer lebendigen kämpferischen Frau, die mit Liebe und Herzenswärme ihr ganzes Leben dem Engagement für die Veränderung der Verhältnisse in Sizilien verwandte und für die die Freiheit des einzelnen das höchste Gut war.
Zunächst war sie als Journalistin tätig, kam mehr zufällig zur Fotografie, die sie dann in ihren Bann zog. Schnell wuchs die Idee Fotografien im Kampf gegen die Schreckensherrschaft der Mafia in ihrem Land und v. a. in ihrer geliebten Stadt Palermo zu verwenden. So schoss sie unermüdlich Fotos, fuhr etliche Male, manchmal mehrmals täglich zu den Schauplätzen der Attentate und fotografierte dort. Ihre Bilder wurden über die Grenzen Italiens hinaus bekannt und ein Synonym für das Elend und das Grauen, welches die Mafia verbreitete.
Neben ihren Aktivitäten gegen die Mafia setzte sich Letizia Battaglia aber auch für die Emanzipation der Frauen sowie für die Ökologie und gegen Bausünden in ihrer geliebten Heimatstadt Palermo ein. Später war sie als Abgeordnete für die grüne Partei tätig.
Der Fotoband „Sizilianische Fotos“, ein DINA-4 großbändiges gebundenes Buch, enthält viele ihrer in der damaligen Zeit aufgenommenen Schwarz-Weiss-Fotografien. Dabei sind aber nicht nur die typischen Mafia-Bilder vorhanden. Gerade dadurch, das diese Künstlerin die grauenhaften Fotos von Opfern und Leichen in Kontrast setzt zu den ganz normalen Bildern Palermos, in der neben Armut und Leid auch ein Stück der typisch sizilianischen Lebensart rüberkommt, wirken diese Bilder besonders stark. Denn sie machen deutlich, dass es so viele Menschen im Volk gibt, die einfach nur Freiheit und Gerechtigkeit wünschen und ein besseres Los für sich selbst und ihre Heimat. Sie machen auch deutlich wer die eigentlichen Opfer der Mafia sind oder waren.
Neben den Fotos finden sich in diesem Bildband verschiedene Texte von Menschen, die sowohl Letizia Battaglia als auch die Geschichte Siziliens kennen und z. T. mit ihr zusammengearbeitet haben. So erfahren wir viel über diese sagenhafte Frau, aber auch über den Kontext, in dem sie gewirkt hat und bis heute wirkt. Gerade im Zusammenhang mit den Informationen, die die Texte enthalten, entfaltet dieser Band eine große Wirkung und man kann die Bilder in anderem Licht klarer sehen und deuten.
Trotzdem bleiben die Bilder das Wesentliche und der Text nimmt nicht überhand. Er fügt sich gut hinein.
Dieser Fotoband enthält keine leblose oder von der Realität abgetrennte Kunst. Er zeigt Bilder, die es vermocht haben auf eine Situation aufmerksam zu machen, gegen sie zu kämpfen und tatsächlich Veränderungen herbeizuführen. Trotzdem bezeichne ich sie als Kunst. Denn es ist immer Teil des Kunstverständnisses gewesen auch auf diese Weise Wirkungen zu zeigen, wenn auch in der heutigen modernen Kunst diese Elemente leider oft fehlen. Wer also nicht nur „schöne“ Bilder betrachten möchte und wen der Kontext dieser Bilder interessiert, wird wie ich beeindruckt sein und das Bedürfnis verspüren mehr über die Fotografin zu erfahren und von ihr kennenzulernen.
Das Buch ist 1999 bei zweitausendeins erschienen, kostete zunächst 59,00 DM. Ich habe es vor einigen Monaten jedoch sehr günstig für ca. 6 Euro dort in einer Sonderaktion bestellt. Die ISBN-Nr. lautet: 3-86150-316-6. Den Verlag Zweitausendeins erreicht man unter www.zweitausendeins.de. Es hat 150 Seiten, die größtenteils DINA-4-große, z. T. auch doppelseitige Fotos zeigen.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-11-04 20:45:18 mit dem Titel Bronnen, Barbara: Die Diebin - Hochmut kommt vor dem Fall
Hochmut kommt vor dem Fall
Bei dem Buch „Die Diebin“ von Barbara Bronnen handelte es sich um einen Zufallsfund. Gelegentlich neige ich dazu die in Warenhäusern oder Kloppenburg-Filialen aufgestellten Kisten mit Bücher-Mängelexemplaren hermetisch abzusuchen. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass ich da schon so manch gutes und anspruchsvolles Buch mit nach Hause genommen habe.
Als anspruchsvoll kann man diesen Roman wohl auch bezeichnen, aber auch mit einem Hang zur Intellektualisierung und einer durchgängig doch recht schweren, wenn auch blumigen und facettenreichen Sprache.
Doch zunächst zur Autorin:
Barbara Bronnen gehört zu den deutschen Gegenwartsautorinnen. Als gebürtige Berlinerin ist sie in Österreich aufgewachsen und studierte dort Germanistik. Mittlerweile lebt sie in München und bekam dort auch bereits 1980 für ihren ersten Roman „Die Tochter“ den Tukan-Preis der Stadt München. Neben Romanen schreibt sie auch für das Fernsehen und für das Theater.
Im Roman „Die Diebin“ geht es um eine Frau, Marie, die sich besonders dadurch auszeichnet, dass sie im Leben wenig Werte außerhalb derer ihrer Attraktivität und ihrer Wirkung auf Männer hat. Da sie auch den praktischen Seiten des Lebens wenig abzugewinnen weiß, ist für sie die sichere Versorgung durch einen gut situierten Ehemann eine Notwendigkeit, weshalb sie sich im Verlauf dieser Geschichte an zwei Männer bindet, ohne jedoch jemals in diesen Beziehungen glücklich zu sein. Ihren ersten Mann verlässt sie gemeinsam mit ihrer 12jährigen Tochter, da er sie betrogen hat – um sich fast in sekundenschnelle sozusagen ohne weiteres Hinsehen an den nächsten Mann zu binden, mit dem sie kurze Zeit später auch ein Kind bekommen wird.
Eigentlich sollte sie glücklich sein, denn durch ihren zweiten Ehemann wird ihr der Umzug in sein Haus in der Toskana möglich und der Süden hatte sie immer fasziniert und angezogen. Aber auch in Italien verläuft es nicht besser. Schon nach kurzer Zeit sind so gut wie alle Männer der Kleinstadt ganz versessen von ihr, doch ihr Mann Paul wird ihr zur Last, ebenso wie die Kinder.
Sie behandelt ihn schlecht, arrangiert eine Teilzeitehe, indem sie im Ferienhaus bleibt, während er in Deutschland arbeiten geht. Schließlich jedoch wird sie ihm überdrüssig und er verlässt sie und nimmt beide Kinder endgültig wieder mit nach Deutschland.
Nun bleiben ihr nur noch wenig Optionen. Und zuletzt nimmt es auch kein gutes Ende mit ihr.
So weit, so gut. Barbara Bronnen beginnt diesen Roman ohne große Vorgeschichte zu dem Zeitpunkt wo gerade Maries erste Ehe gescheitert ist. Sie schildert Marie distanziert, kühl und unberechenbar, scheinbar ohne jegliches Gefühl für andere Menschen. Sympathisch wird sie uns nicht die Marie und am Ende tut sie einem eigentlich nicht mal leid. Ich habe diese Geschichte als sehr moralisierend empfunden. Hier stellt sich immer wieder die Frage: Wie hat denn eine gute Frau zu sein, eine gute Ehefrau, eine gute Mutter – und gibt es tatsächlich solche gefühllosen egozentrischen Menschen, die außer sich selbst nichts sehen können und dabei auf ewig unglücklich werden?
Mich hätte zum Beispiel die Vorgeschichte interessiert: Wieso ist sie so geworden? Hätte die Autorin dies erzählt, vielleicht hätte ich doch Sympathie, Verständnis oder Mitgefühl für die Protagonistin empfunden.
Das drastische Ende des völligen Falls hält zwar die potentielle Möglichkeit offen, dass Marie sich vielleicht doch noch verändern könnte, aber es ist ziemlich unwahrscheinlich.
Die Geschichte ist von der Wortwahl relativ schwer geschrieben. Dies zeugt von Intelligenz, ist mitunter aber auch etwas müßig zu lesen. Erst wenn man sich ein wenig eingelesen hat, gewöhnt man sich an den Stil und liest sie etwas flüssiger. Vieles ist nur angedeutet, interpretierbar, enthält viele Metaphern und erinnerte mich an diese typischen deutschen Kurzgeschichten, die wir im Deutschunterricht immer fleißig interpretieren mussten.
Doch bin ich nicht so sehr mit dem sprachlichen unzufrieden, sondern eher mit dem oben beschriebenen Umstand, dass ich, als ich das Buch nach den ca. 200 Seiten, die es hat, zuklappte, den Eindruck einer Moralkeule empfand.
Falls jemand dieses Buch oder die Autorin kennt, lasse ich mich gerne belehren; es ist nicht unmöglich, dass ich etwas falsch verstanden habe.
Alles in allem ein Buch, welches ich nicht unbedingt gelesen haben müsste.
Ich bewerte mit drei Sternen als gerade noch befriedigend. Aber es ist sicher auch viel Geschmackssache dabei.
Das Buch gibt es als Heyne Taschenbuch, ISBN-Nr. 3-453-10805-1 für ehemals 12,90 DM. weiterlesen schließen -
Wenn man nachts wachliegt und nachdenkt ...: Beta, Katharina "Katharsis"
Pro:
eine ergreifende, wahre Geschichte
Kontra:
streckenweise schwer zu lesen
Empfehlung:
Nein
... wie es ist, mitten im Leben ins Nichts geboren zu werden und sich nie wieder an etwas erinnern zu können.
Liebe Leser,
meinem Lese-Hobby bin ich bis jetzt bei Yopi noch nicht gerecht geworden; daher möchte ich Euch mit diesem Bericht ein Buch vorstellen, dass ich gerade ausgelesen habe.
Es handelt sich um die Autobiographie „Katharsis – Aus dem Wasser geboren“.
~ Die Autorin ~
Katharina Beta – ihr „neuer“ Name – erzählt in diesem Buch ihre Lebensgeschichte: ein Leben, dass im Alter von 32 Jahren begann.
In ihrem „ersten“ Leben geboren in Berlin, Medizinstudentin und Mutter von drei Söhnen, erlitt sie 1970 einen schweren Autounfall und mußte ihr Leben wie von Geburt an neu beginnen.
Sie lebt nun als freie Schriftstellerin in Österreich und publiziert hauptsächlich zur Geschichte des Ostens.
~ Der Inhalt ~
Um zukünftigen Lesern nicht die Freude an diesem Buch zu nehmen, möchte ich an dieser Stelle nicht die Geschichte zusammengefasst wiedergeben, sondern nur grob umreißen. Haltet Euch bitte immer eins vor Augen: es ist eine wahre, wirklich erlebte Geschichte.
Katharina hört, dass sie gerufen wird, immer wieder ... und endlich erwacht sie aus dem Koma in einer fremden Welt. Sie ist umgeben von ‚Gestalten‘, die auch eigenartigen ‚Schlitzen‘ verschiedene Töne formen, die mit ‚Kugeln‘ auf sie herabblicken und an ihren Körpern seltsame lange ‚Dinge‘ bewegen. Sie beobachtet Helligkeiten und Dunkelheiten, die sich abwechseln. Furchtbare Schmerzen quälen sie. Oft fällt sie in ein seliges Nichts.
Die 32jährige erleidet bei dem schweren Autounfall ein Trauma; fortan ist ihr Vergangenheit ausgelöscht. Wie ein Neugeborenes „kommt sie auf die Welt“ und muss, wie ein Baby, von Grunde auf alle erlernen. Keine Begriffe, keine Worte oder Zusammenhänge sind in ihrem Gedächtnis erhalten.
Langsam beginnt sie, ihre Umwelt wahrzunehmen, Menschen anhand von ‚Tönen‘ zu unterscheiden, sich selbst zu begreifen. Aufopferungsvoll kümmert sich eine Krankenschwester um sie; bringt ihr bei zu essen, zu laufen, später auch zu sprechen und zu schreiben. Ein langsamer, mühevoller Lernprozess beginnt,.
Doch der eigentliche Leidensweg steht der jungen Frau noch bevor. Sie wird aus dem Krankenhaus entlassen in ihr früheres Leben – ein Leben, das ihr völlig fremd ist. Mutter und Schwester erwarten von ihr, dass sie ihre Rolle wieder aufnimmt, sich um ihre Söhne kümmert, eine Wohnung sucht und Arbeit. Die völlig hilflose, orientierungslose Frau nimmt aufgrund ihrer alten Zeugnisse eine Stelle im Krankenhaus an, obwohl sie nicht mal in der Lage ist, einfache Zusammenhänge zu begreifen, geschweige denn ein selbständiges Leben zu führen. Mit dem Verständnis eines Kleinkindes versucht sie, das Leben eines Erwachsenen zu führen.
Die Autobiographie erzählt von einem mühevollen Weg zurück ins Leben, von einer Suche nach einem Platz in der Welt. Es ist eine fesselnde Geschichte von einem unfassbaren Schicksal.
~ Die Erzählweise ~
„Katharsis“ ist in der Ich-Perspektive geschrieben und beschreibt so die Welt aus der Sicht der Autorin. Dieser Stil hat bei der Geschichte einen unglaublich eindrucksvollen Effekt: Als Leser fühlt man sich ebenso gefangen, hilflos, ohne Orientierung. Gerade zu Beginn des Buches ist es oft schwer zu begreifen, was sie sieht, hört, erlebt, da alles in kindlich beschreibenden Worten wiedergegeben ist.
Man liest, und möchte um Hilfe schreien, möchte begreifen, Zusammenhänge sehen.
Später macht das Buch fast wütend – auf die Umwelt der jungen Frau, die unmögliches von ihr erwartet, die sie wie einen erwachsenen Mensch behandelt, obwohl sie gerade erst zu leben lernte. Es macht auch hilflos – so viele Fragen stürmen von der Autorin auf den Leser ein ... was bedeutet dieses Wort oder jenes, warum tauscht man ‚bunte Scheine‘ gegen Waren.
Der Schreibstil ist es, der uns tatsächlich in die Lage von Katharina versetzt. Wir sehen das Leben aus ihren Augen, und damit aus den Augen eines Kindes. Wir spüren ihre Entfremdung von der Welt. Nie redet sie von „meinen Söhnen“, immer sind es „die Söhne“, „die Schwester“, „die Mutter“.
Als Leser fühlen wir uns mit ihr fremd und allein gelassen.
Später verfolgen wir die Autorin bei ihrem Ausbruch aus diesem Leben, bei ihren Versuchen, ein neues Ich zu finden. Wir begleiten sie bei vielen Umzügen, immer neuen Wegen, neuen Begegnungen; und wir erleben ihre immer komplexer werdenden Gedanken.
In diesem – zweiten – Teil des Buches wird das Lesen mitunter recht kompliziert. Verwirrende Gedanken wollen verfolgt werden; abrupte Sprünge und das völlige Fehlen wörtlicher Rede gestalten dies recht schwierig; Realität mischt sich mit Träumen, Ideen und Fantasien.
Doch gleichzeitig trägt all das dazu bei, „Katharsis“ zu einem authentischen Werk zu formen.
Und so erleben wir schließlich den Beginn eines neuen Lebens, die Formung einer starken Persönlichkeit.
~ Für wen würde ich dieses Buch empfehlen? ~
Empfehlungen auszusprechen ist natürlich gerade bei Literatur sehr schwierig; trotzdem möchte ich kurz darstellen, wem dieses Buch meiner Meinung nach gefallen könnte.
Besonders für Leser, die sich gern in komplizierten Gedankengänge hineinversetzen und in einem Buch vielleicht eine „Herausforderung“ zum Denken suchen, finde ich „Katharsis“ sehr geeignet. Darüber hinaus ist es ein interessantes Erlebnis für alle, die sich für das Thema Amnesie interessieren, oder generell für die (Persönlichkeits)entwicklung eines Menschen, da die Autorin diesen Prozess ja im Prinzip noch mal vollständig durchlaufen muss.
Freunde von Büchern über die östliche Kirchengeschichte finden im zweiten Teil des Buches sehr viel wissenswertes. Darüber hinaus werden zahlreiche Themen aus den unterschiedlichsten Bereichen angeschnitten, wie zum Beispiel politische Gedanken, Erfahrungen als Schriftstellerin sowie sehr viele Fragen zum zwischenmenschlichen Umgang und des Wertes des Einzelnen.
Es ist in meinen Augen kein Buch für anspruchslose Unterhaltung (sowas lese ich ja auch gern mal ...), auch weniger zum „Abschalten“, da es sehr fesselt und zum Nachdenken anregt. Teilweise muss man sich wirklich bemühen, den Gedankenstrom nachzuvollziehen ... also in erster Linie eher aktives Lesen. Außerdem sollte man ein wenig Geduld bzw. Ausdauer mitbringen, um auch dann weiter zu lesen, wenn die Geschichte an einigen Stellen etwas langatmig wird.
Ich denke, das Buch sollte Kindern nicht geschenkt werden, da es nicht nur sehr aufwühlend sein kann (besonders im ersten Teil der Geschichte), sondern auch stellenweise recht kompliziert geschrieben ist.
~ Ein paar Infos ~
Diese Autobiographie ist im Jahre 2001 im Ullstein-Verlag erschienen und kostet € 9.95.
Daneben ist auch eine gekürzte Hörfassung erhältlich.
Das Buch umfaßt knapp 500 Seiten
Zum leichteren Auffinden im Buchladen: Der Buchrücken ist knallorange mit weißer und grüner Schrift. Die Vorderseite zeigt eine – meiner Meinung nach beunruhigend wirkende – Zeichnung: ein Umriß eines Frauenkopf in blau, mit einem Spalt in der Mitte.
Die ISBN-Nummer lautet 3-548-36281-8.
~ Mein Fazit ~
Die Bewertung fällt mir bei diesem Buch besonders schwer, da meine Stimmung beim Lesen extrem schwankte. Bis ungefähr zur Hälfte ist es zweifellos ein fesselndes, faszinierendes und sehr bewegendes Werk. Danach empfand ich es streckenweise jedoch als sehr langatmig, teilweise auch wirklich uninteressant; ebenso störte mich der „weise Zeigefinger“ der Autorin ein wenig.
Letztendlich möchte ich trotz diesem negativen Punkt jedoch Note 2 geben, in erster Linie deshalb, weil es eine wahre, wirklich gelebte Geschichte ist, die hier erzählt wird. Besonders hoch möchte ich anrechnen, dass die Entwicklung und die inneren Gedanken der Autorin im gesamten Buch nachzuvollziehen sind. Der Leser bleibt nicht außen vor, sondern „lebt“ beim Lesen mit.
Obwohl einige Abschnitte nicht meinen Vorstellungen und meinem persönlichen Interesse entsprachen, bin ich sehr froh, dass ich „Katharsis“ gelesen habe und ich habe das Buch als große Bereicherung empfunden.
Abschließen möchte ich mit ein paar sehr schönen Worten aus diesem Buch:
„Seit ich reden gelernt habe, kann ich nicht mehr schweigen. Seit ich schreiben gelernt habe, kann ich nicht mehr aufhören zu schreiben.“
Ich hoffe, ich konnte Euch mit meinem Bericht einen kleinen Einblick verschaffen und Euch bei der Entscheidung helfen, dieses Buch eventuell selbst zu lesen oder zu verschenken.
~ Schlussbemerkung ~
Da ich noch wenig Erfahrung mit dem Berichte-Schreiben über Bücher habe, bin ich hier besonders dankbar für Kommentare und Anregungen. Habe ich vielleicht zu viel verraten? Oder könnt ihr Euch noch gar keine Vorstellung vom Inhalt des Buches machen? Darüber hinaus interessiert mich natürlich auch die Meinung derer, die das Werk schon gelesen haben: wie hat Euch das Buch gefallen?
Ich danke für Euer Interesse – besonders denen, die den ganzen Bericht lesen und nicht nach der Hälfte auf „sehr nützlich“ klicken. :-)
Eure RainWoman weiterlesen schließen -
Making my way downtown
Pro:
grandios
Kontra:
nix!
Empfehlung:
Nein
Lily Brett - "Einfach so"
Als ich in einer Binger Buchhandlung zufällig auf diesen Roman stieß, erinnerte ich mich, dass er mir einmal von jemandem, dessen literarische Vorlieben ich sehr schätze, empfohlen wurde. Und weil mir Gabriel García Márquez gerade zu schwierig und Hanif Kureishi zu einfach war, begann ich, den Roman einer mir bis dahin gänzlich unbekannten Autorin zu lesen. Im Garten, auf einer Hollywoodschaukel. Das war eine ausgesprochen gute Idee, wenn mich auch der Anfang zunächst die Stirn runzeln ließ:
„Edek Zepler hatte früher immer polnische Mädchen gebumst. Die meisten von ihnen waren Dienstmädchen, und er hatte sie im Stehen in den Fluren der Häuser gebumst, in denen sie arbeiteten.“
Aber wenn der Spiegel und die FAZ den Roman auf der Rückseite derart loben, kann es sich ja wohl kaum um einen Softporno handeln.
... und das ist „Einfach so“ auch nicht, wenn sich auch im Laufe des knapp 500-seitigen Buches zahlreiche Personen lieben, was von Frau Brett sehr plastisch und unter Einbeziehung sämtlicher dabei in Erscheinung tretender Körperflüssigkeiten beschrieben wird.
„Einfach so“ ist die ergreifende Geschichte von Esther, einer in New York lebenden Jüdin, deren Eltern den Holocaust überlebten. Esther wurde im KZ in Deutschland geboren, lebte nach Kriegsende gemeinsam mit ihrer Familie in Australien und versucht jahrelang, die grauenhaften Erlebnisse ihrer Eltern und anderer jüdischer Gefangener mit Hilfe zahlreicher Psychoanalysen und –therapien zu verarbeiten. Irgendwann zieht sie mit ihrem wunderbaren Mann Sean, einem Maler, und den drei Kindern nach New York und dort spielt diese wunderschöne, traurige, packende, amüsante und nachdenklich-stimmende Geschichte.
Mich erinnerte Esther zuweilen an die Protagonistin aus Siri Hustvedts liebenswürdigem Roman „Die unsichtbare Frau“, deren Namen ich vergessen habe. Zwar ist sie etwa doppelt so alt, nämlich 40, aber dennoch unterliegt auch sie dem Charme der Großstadt, denkt unentwegt über sich und ihr nahestehende Personen nach, ist sensibel, verletzlich und sympathisch. Esther schreibt Nachrufe auf mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten des jüdischen Öffentlichkeitslebens. Sie ist glücklich verheiratet und das hat mich während der ganzen, oft tieftraurigen Geschichte immer wieder fröhlich gestimmt.
Esther und Sean sind hochinteressante Figuren (sicher auch aus psychologischer Sicht), ebenso wie Esthers sehr extrovertierte Freundin Sonia, deren offene Schilderungen ihres abwechslungsreichen Sexuallebens sowohl Esther als auch mir stets wahlweise die Schamesröte ins Gesicht trieben oder ein Schmunzeln in selbiges zauberten. Eine merkwürdige Fügung, dass ausgerechnet der liederlichen Sonia schließlich das widerfährt, was die tugendhafte Esther sich immer gewünscht hat.
Esthers Mutter Rooshka starb an Krebs. Sie, die neben der Vergewaltigung durch einen Hund der Nazis unendlich viele weitere Demütigungen ertragen musste und es jahrelang mit Esthers kauzigem, schroffem Vater ausgehalten hat, hinterlässt in ihrer Tochter eine große Leere, die sie nicht zu füllen vermag. Aber wer könnte es ihr verdenken? Wenn von der Mutter die Rede war, dachte ich unwillkürlich an eine Frau, die mir sehr nahe gestanden hat und die ebenfalls an Krebs gestorben ist. Eine Frau, die soviel durchgestanden hat, wird von einem verdammten Tumor dahin gerafft... der Gedanke ist mir nicht fremd.
Überhaupt fühle ich mich Esther irgendwie verbunden. Ich mag sie. Sie sagt und denkt in diesem Roman so viele vertraute Dinge, dass ich mich unentwegt ärgerte, keinen Stift dabei zu haben, um alles zu unterstreichen. Ihre Verweigerung, sich die Brust abzutasten, aus Angst, sie könnte einen Knoten erfühlen... die manchmal zickige Art, wie sie mit ihrer Therapeutin spricht... die Verachtung sämtlicher Oberflächlichkeiten... das Bewusstsein, jemandem weh getan zu haben und zugleich die Feigheit, es im selben Moment wieder gutzumachen... die Angst um ihre Familie, wenn diese sich in einem Flugzeug befinden... das komplizierte Verhältnis zum Vater, gepaart mit dem Wunsch, ihm alles recht zu machen... „Sie fand, daß sie die Analyse nicht verdiente, wenn sie nicht in einer seelischen Notlage war.“ ... das ständige, automatische Verbessern der Versprecher anderer...
Aber ich entdeckte auch andere Züge an ihr, die nicht auf mich zutreffen, die mich aber an Menschen denken lassen, die sie ebenfalls besitzen. Die zwanghafte Sucht, Gegenstände auf dem Schreibtisch parallel zur Tischkante anzuordnen... die Dreistigkeit, Dosensuppe als selbstgemacht auszugeben ;o) ... die Scham wegen der sexuellen Offenheit ihrer Kinder... All diese Assoziationen machen dieses Buch so wertvoll für mich.
Der Roman gibt zahlreiche Denkanstöße („Fotografien verdeckten genauso viel, wie sie enthüllten“), ist unglaublich lehrreich, was die NS-Zeit allgemein und die Greueltaten der Nazis im Besonderen, die menschliche (weibliche?) Psyche, den Umgang mit „Opfern“ angeht, er ist - soweit ich das ohne Kenntnis des englischen Originals beurteilen kann - fantastisch übersetzt und fesselt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Zudem vermittelt er ein ausgezeichnetes Bild vom Leben in einer amerikanischen Großstadt, lässt einen laut auflachen (wenn einem auch oft das Lachen im Hals stecken bleibt), ist wunderbar lebendig, bewirkt manchmal ein paar Tränen und immer wieder dieses Gefühl, dass Menschen sich in genau dieser Situation genau so fühlen (müssen).
Lily Brett bezaubert durch ihre „Leichtigkeit und Klugheit“ (FAZ), sie ist tiefgründig, emotional und gründlich. „Einfach so“ ist eines dieser Bücher, nach deren Lektüre man das Verlangen spürt, alle anderen Romane der Autorin jetzt sofort und auf der Stelle zu kaufen und zu lesen. Und genau diese Bücher sind es doch, die zu lesen es sich lohnt.
Erschienen bei Suhrkamp für 10 € (Taschenbuch). ISBN 3-518-39533-5. Bei ebay für 1 € zu haben.
(am 31.08. bei ciao.com veröffentlicht)
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-10-23 20:09:20 mit dem Titel Alle reden über Meisterwerke und keiner liest sie
Frédéric Beigbeder dürfte spätestens seit seinem Skandalroman „39.90“ (das war der D-Mark-Preis der Hardcover-Ausgabe), in dem er mit der Medienbranche abrechnet, auch in Deutschland bekannt sein. Bis zum Erscheinen des Buches arbeitete er für eine renommierte Werbeagentur, dann wurde er gefeuert, man betrieb einen wahnsinnigen Hype um das Buch, jeder las es (oder kaufte es zumindest) und der Mann war quasi über Nacht berühmt (und bestimmt auch reich). Nicht sehr sympathisch soweit.
Ich habe „39.90“ nicht gelesen. Es widerstrebt mir, ein Buch nur zu lesen, weil es alle lesen, und die Thematik interessierte mich nicht sonderlich. Aus den selben Gründen habe ich weder Ken Folletts „Der dritte Zwilling“ noch Martin Walsers „Tod eines Kritikers“ gelesen. Alle drei Bücher mögen ganz hervorragend, einzigartig, meinetwegen auch „Weltliteratur“ sein – sie reizen mich (momentan) einfach nicht. E basta.
Trotzdem war ich froh über den Umstand, dass alle Welt von Frédéric Beigbeder sprach, denn so erlangte ich Kenntnis über einen jungen, französischen Schriftsteller, dessen Werke ich nicht kannte. Und ich bin häufig auf der Suche nach unbekannten Namen zeitgenössischer französischer Autoren, weil ich gerne auch mal französische Bücher lesen würde, die noch keine hundert Jahre alt sind. [Keine Sorge, die älteren lese ich auch; Madame Bovary, Thérèse Desqueyroux, Le malade imaginaire, La peste, Les mouches, La cantatrice chauve, En attendant Godot, ... alles alte Bekannte. ;o)]
Ich bestellte mir daraufhin Beigbeders „Nouvelles sous ecstasy“, eine durchaus amüsante Kurzgeschichtensammlung. Wenig später besuchte ich eine Lesung von ihm in Köln, die aus mehreren Gründen reizvoll und gut war. Am Ende signierte Beigbeder mein Büchlein mit den Worten „à gomber avec modération“, ich stellte fest, dass er mir sehr unsympathisch, weil arrogant, ist und hakte ihn unter „erledigt“ ab.
Wäre mir da auf der Buchmesse nicht zufällig „Letzte Inventur vor dem Ausverkauf. Die fünfzig besten Bücher des 20. Jahrhunderts.“ ins Auge gefallen (das muss man sich jetzt nicht plastisch vorstellen), dann wären der überhebliche Herr Beigbeder und ich uns bestimmt nie wieder über den Weg gelaufen. Aber dieser Titel... der hat schon was. Das Layout ist nicht besonders ansprechend und natürlich auffällig in „39.90“-Manier gehalten, aber aus irgendeinem Grund wollte ich wissen, was Herr Beigbeder für die besten 50 Bücher des vergangenen Jahrhunderts hält. (Sollte jemand eine persönliche entsprechende Liste angelegt haben, immer her damit!)
So fanden wir also wieder zueinander. Gleich auf den ersten Seiten des schmalen Bändchens klärte sich ein grundlegender Irrtum auf: Ich hatte fälschlicherweise angenommen, es handele sich hier um Frédéric Beigbeders persönliche Hitliste, aber dem ist nicht so. Sechstausend Franzosen sind der Aufforderung von FNAC und Le Monde gefolgt, einen Fragebogen zum Thema Literatur auszufüllen und zurückzusenden und daraus setzt sich diese Bestenliste zusammen. Na gut, auch das finde ich ziemlich interessant. Vielleicht ist es überflüssig zu erwähnen, dass die meisten Bücher auf der Rangliste von französischen Autoren stammen? Jedenfalls etwa die Hälfte.
Beigbeder schreibt zu jedem Buch drei Seiten und man möge mir verzeihen, dass ich gewisse Zweifel hege, ob er tatsächlich all diese Romane gelesen hat. Vielleicht entsteht der Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit nicht aus der potentiellen Unkenntnis des Autoren, sondern aus der verlegerischen Vorgabe, die drei Seiten Grenze nicht zu übertreten. Letzteres deutet Beigbeder zumindest an einigen Stellen seines Buches an.
Bei der Beschreibung der gewählten 50 Bücher geht er rückwärts vor, beginnt also mit Platz 50, André Bretons „Nadja“ (sprich: Nadschaa), dem vielleicht bekanntesten surrealistischen Roman. Es folgen Kundera (auf Platz 47), Sagans „Bonjour tristesse“ (auf 41), García Marquez (33), Gide (30), Joyce (28), Ionescos kahle Sängerin (auf 24 – ich habe dieses Stück geliebt!), Anne Franks Tagebuch (19), Ecos „Name der Rose“ (14) und Steinbeck (7) – um nur einige bekannte zu nennen. Die „Top Five“ fand ich persönlich hochinteressant:
5. André Malraux, La condition humaine, 1933
4. Saint-Ex, Le petit prince, 1943
3. Franz Kafka, Der Prozess, 1925
2. Marcel Proust, A la recherche du temps perdu, 1913-1927
1. Albert Camus, L’étranger, 1942
Immerhin kenne ich die Titel, wenn ich auch nur zwei davon gelesen habe. Aber dass ein Franz Kafka, der ja nun eindeutig kein Franzose war, es unter die Top Five geschafft hat – alle Achtung! Camus‘ „Fremden“ als das beste Buch des Jahrhunderts zu bezeichnen, halte ich auch für sehr gewagt. Ich habe es gelesen, auf französisch, auf deutsch, und ich mochte es, aber das beste..? Vielleicht ist mir irgendetwas entgangen...? „Aujourd’hui, maman est morte. Ou peut-être hier, je ne sais pas.“ Zugegeben: das vergisst man nicht so schnell. Aber ist die Pest nicht ungleich bedeutender, dichter, großartiger?
Beigbeder schreibt also zu jedem Buch drei Seiten. Im Prinzip schreibt er 50 Texte von der Länge eines durchschnittlichen Berichts und als solche hätte er sie auch problemlos hier einstellen können. Er ist ein bisschen flappsig, aber nicht dumm, ziemlich frech, aber nicht respektlos - und das Ergebnis ist äußerst kurzweilig. „Letzte Inventur vor dem Ausverkauf“ liest sich einfach, nett und unterhaltsam; der geneigte Leser kann sogar ein bisschen was daraus lernen. Mitunter ist es auch sehr witzig, was man sonst von Sekundärliteratur – und nichts anderes ist die „Letzte Inventur“ im Prinzip – selten behaupten kann.
Was er zu Thomas Manns „Zauberberg“ (Platz 38) sagt, ist wenig, aber interessant:
„Thomas Manns Berg, Entwicklungsroman und Wagner’sche Symphonie in einem, hat nicht nur Zauberkräfte, er ist hypnotisch, ja schlaffördernd.“
Ich bin noch immer nicht am Gipfel angekommen, lieber H., ich schlafe unterwegs ständig ein... ;o)
Die „Letzte Inventur“ ist also perfekt geeignet zum „Zwischendurchlesen“, da man ja nie mehr als drei Seiten schaffen muss, um den Anschluss nicht zu verpassen. Man kann sogar in der Werbepause ein paar Kapitel lesen, oder an der Bushaltestelle oder zwischen Zähneputzen und duschen. Gelegentlich wird man laut auflachen oder die Stirn runzeln, aber insgesamt wird man sich gut amüsieren. Außerdem ist das Buch wirklich perfekt, um sich Anregungen für die nächste Lektüre zu holen. Ich persönlich bin besonders gespannt auf „Bonjour tristesse“ von Sagan (Nr. 41: „eines der seltenen Wunder des vergangenen Jahrhunderts“) und „Alcools“ von Apollinaire (Nr. 17: „Unsterbliche Sätze“). Frau Gräbener-Müller möchte ich übrigens gerne ein Lob aussprechen: ich habe an keiner Stelle gemerkt, dass ich eine Übersetzung lese. Und ich bin da SEHR penibel... ;o)
Erschienen beim Rowohlt-Verlag. Hardcover 16.90€.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-10-28 10:22:50 mit dem Titel "Dann lebe ich in dem Buch"
Lily Brett inspiriert mich. Sie unterhält, berührt, amüsiert. [So viele Umlaute.] Ich würde an dieser Stelle gern schreiben, dass Lily Brett „der Wahnsinn“ ist, dass ich sie „liebe“. Aber ich schätze, das würde ihr nicht gefallen. Sie versteht nämlich nicht, wieso wir ständig das Wörtchen „wahnsinnig“ vor andere Adjektive setzen. Wahnsinnig verliebt, wahnsinnig schön, wahnsinnig grausam. Oder warum die New Yorker alle möglichen Dinge und Menschen „lieben“. Ich glaube, dieses Buch ist unter anderem auch ein Appell, weniger achtlos mit Wörtern umzugehen, sich nicht willkürlich und gedankenlos für eines zu entscheiden. Wenn wir Glück und Geduld haben, finden wir vielleicht eins, das besser passt, treffender ist. Und das gewählte könnte sich als floskelhaft entpuppen, als eine Floskel, über die nachzudenken sich nie jemand die Mühe gemacht hat.
„...ich wusste, wenn ich Leute zum Weinen bringen wollte, musste ich meine Worte sorgfältig wählen.“ (Seite 330) Das funktioniert.
Fakt ist, dass „Zu sehen“ unheimlich facettenreich ist. Das deuten schon die Überschriften jedes einzelnen Kapitels an. Altern, Meine Tochter, Sex, New York, Mein Körper, Essen, Tod, Liebe, Schreiben. Um all das geht es in diesem Buch, das sich so schwer einordnen lässt. Es ist nicht wirklich ein Roman, auch keine richtige Autobiographie, vielleicht eine Mischung aus beidem und ein bisschen mehr. „Zu sehen“ ist „Einfach so“ sehr ähnlich, unschwer finden sich zahllose Parallelen und doch habe ich mich keine Sekunde gelangweilt. Vielmehr habe ich das Buch verschlungen, es bis in die Nacht gelesen und als mir irgendwann die Augen zufielen, war ich drauf und dran, mir die Lider an die Brauen zu tackern.
Lily Bretts Gedanken und Empfindungen sind hochinteressant und merkwürdig vertraut. Selten hatte ich während der Lektüre eines Romans unentwegt das Gefühl, ihn selbst geschrieben zu haben. Hier war das der Fall. Zwar habe ich keine Kinder, lebe nicht in New York, bin nicht die Tochter zweier Holocaust-Überlebender und dennoch ist mir vieles, das sie schreibt, so nah, dass es schon fast beängstigend ist. An einer Stelle, die ich viel zu spät nachts las, spürte ich, wie ich immer tiefer in meine Kissen sank, die Beine anzog, eine Gänsehaut bekam, mich fürchtete. Ich hatte Angst und Respekt vor dieser Frau, die so verdammt präzise Beobachtungen an sich und anderen anstellt, die so genau wahrnimmt, was in ihr und um sie herum passiert.
Und dann wieder konnte ich vor Lachen kaum an mich halten. Diese Frau, sei es nun die Autorin oder die Erzählerin, nimmt sämtliche Bemerkungen ihrer Mitmenschen so ernst, geht ihnen auf den Grund, grübelt über sie... irgendwie ziemlich neurotisch. Aber genau das macht sie so unsagbar liebenswert. Ich habe hier häufig über mich selbst gelacht. Doch wie sagte die kluge Frau Brett eines Tages: „Lachen zu können ist eine Gnade.“ Recht hat sie. Und dass es jemandem, der soviel erlebt und überlebt hat wie sie, nicht leicht fällt zu lachen, dürfte einleuchten. Zunächst wurde sie kurz nach Kriegsende in Deutschland geboren, lebte dann mit ihren Eltern, zwei Auschwitz-Überlebenden, in Australien, machte eine jahrelange Psychoanalyse, zog nach New York, bekam fast versehentlich zwei Kinder und war stets von Zweifeln und Ängsten geplagt. Angst um die Kinder, sich selbst, ihre Eltern, Zweifel an ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, Probleme mit ihrem Körper, ihrer Seele, ihrer neuen Heimat. Da kann einem das Lachen schon mal im Gesicht gefrieren.
Wahrscheinlich hat all das dazu beigetragen, dass Lily Brett so wahnsinnig (jetzt habe ich es doch benutzt...) sensibel und feinfühlig wurde. Mit weniger Wohlwollen könnte man auch überempfindlich sagen.
Sie sieht so klar und hat so wenig Scheu, das, was sie sieht, zu schildern, dass man als Leser ständig zwischen Neid und Bewunderung hin- und hergerissen sein muss. Ihre Texte sind so leicht, dass man ein bisschen Angst hat, sie könnten einem entwischen. Das tun sie aber nicht. In all ihrer Leichtigkeit und Klugheit bleiben sie im Gedächtnis und zwingen einen, sämtliche andere Bücher von Lily Brett zu lesen, um die Eindrücke, die diese Frau hinterlässt, irgendwann kombinieren und abrunden zu können.
Mit am liebsten mag ich das Kapitel, das den Titel „Schreiben“ trägt. Man kann soviel daraus lernen, wenn man genau hinsieht. Über die Macht und das Unvermögen der Wörter, etwas zu bewegen, über die Gründe, aus denen Menschen schreiben, über die Wirkung der Wörter auf Autoren und Leser. Es lohnt sich, ein wenig darüber nachzudenken.
„Ich gehöre nicht zu jenen Schriftstellerinnen, die von Jugend an wussten, dass sie Schriftstellerin sein wollten. Ich wollte schlank sein.“
Irgendwie ist sie eben auch ganz Frau.
Eine Frau, deren Mann sich über nichts mehr wundert. Wenn sie mitten am Tag in sein Studio stürmt, ein Maßband schwingt und ihn bittet, seinen Taillenumfang messen zu dürfen, dann hält er sich und sie nicht mit Fragen auf, die in diesem Moment störend wären, sondern dreht Bob Dylan leiser und lässt bereitwillig seinen Taillenumfang messen, um ihr dann mitzuteilen, dass dieser seit Jahren einundneunzig Zentimeter beträgt. Ich kann mir das bildlich vorstellen und ich finde das köstlich.
Lily Brett folgt ihren Impulsen. Das ist nicht immer bedingunglos richtig, aber es tut ihr gut. Und mir auch.
Diana-Taschenbuch, ISBN 3-453-19588-4, neun Euro. weiterlesen schließen -
Heute wird "gezaubert"
23.10.2002, 11:18 Uhr von
miraone
Ich bin 23, Mutter von zwei Kids, die ich über Alles liebe, und ich bin seit eineinhalb Jahren gl...Pro:
Tolle Torten, tolle Anleitungen
Kontra:
man braucht Zeit und Geduld
Empfehlung:
Nein
Heute möchte ich Euch ein Backbuch vorstellen von Debbie Brown. Ich backe ja sehr gerne, nicht diese fertigen Backmischungen, nein, ich möchte „richtige“ Kuchen und Torten backen, wenn nicht immer aus dem Kopf, dann nach Rezept. Wie wär’s mal mit einer anderen Torte, einer, bei der die Leute den Mund vor Staunen nicht mehr zukriegen und am liebsten die Torte nicht anschneiden wollen ?! Heute möchte ich Euch ein Buch näher bringen, welches ich von meiner Mutter geschenkt bekommen habe und Euch solche Torten zeigt.
Debbie Brown hat im Verlag Bechtermünz ein Buch herausgebracht, welches „Zaubertorten – Schritt für Schritt zum Zuckerglück“ heißt. Es war glaube ich mal im Weltbildverlag erhältlich. Die ISBN-Nr.: 3-8289-1085-8. Was das Buch gekostet hat, kann ich nicht genau sagen, weil ich es von meiner Mutter geschenkt bekommen habe.
Dieses Buch liefert phantasievolle Anregungen für die Gestaltung von Torten. Die Inspiration für die Torten bekam Debbie Brown von Märchen und Sagen, von denen es ja eine Menge gibt. Die Torten sehen echt klasse aus in dem Buch. Da gibt es zum Beispiel eine Torte die besteht aus drei Fliegenpilzen, die von Elfen angepinselt werden, oder eine Ballerina, oder einen Baum mit Gesicht, oder das Cinderellaschloss. Die Torten haben so viele kleine Details, die man gar nicht alle aufzählen kann. Ein wahrer Traum, den nicht nur Kinder gefällt.
Zehn Torten werden in dem Buch vorgestellt und genau beschrieben, mit Rezepte und Aufbauanleitung, mit vielen farbigen Abbildungen. Es gibt einfachere und schwierige Torten zum Nachahmen und man braucht auch bei einigen eine Menge Geduld und Zeit. Mit Hektik kann man hier nicht viel erreichen.
Die Torten bestehen aus Sandkuchen, Zuckermasse (in verschiedenen Ausführungen) und Buttercreme, die Rezepte dafür sind alle in dem Buch. Die Figuren werden aus Modelliermasse gefertigt (für die Modelliermasse braucht man eine Zutat, Tragant, das man wohl in der Apotheke bestellen kann, habe ich mal gelesen.)
Ich habe mich einmal im „Kunstbacken“ probiert und war auch relativ zufrieden mit mir. Nur hatte ich dieses verflixte Tragant nicht und musste so auf ein paar Figuren aus Modelliermasse verzichten. Aber nicht weiter schlimm. Auch habe ich mir eine fertige Zuckermasse gekauft und war damit gar nicht zufrieden. Das nächste Mal mach ich die alleine, denn bei manchen Torten muss man Zuckermasse färben und das funktioniert so gut wie gar nicht mit fertig gekaufter. Gezaubert habe ich dann einen Baum mit Gesicht, der im Kindergarten, bei einem Fest, versteigert wurde und dem Kindergarten ein wenig Geld einbrachte, für Spielzeug oder so. Der Kindergarten war ganz begeistert davon und wollte die Torte am liebsten nicht versteigern, sondern die einzelnen Erzieherinnen wollten ihn für sich haben. Er war also ein voller Erfolg.
Eine ganze Menge Arbeit steckt in diesen Torten und manche sehen zwar einfach aus, sind es aber ganz und gar nicht. Debbie Brown hat die Torten mit viel Liebe und Geschmack entworfen. Es gibt so viele kleine Details mit denen die Torte zu einem Kunstwerk wird. Wer sich gerne als privater Zuckerbäcker versucht, ist mit diesem Buch gut beraten. Die Torten kann man nach belieben umwandeln und verändern, auch kann man sich eigene Motive ausdenken. Auf jeden Fall gibt das Buch viele Anregungen und Tipps. Absolut empfehlenswert. Wer so eine Torte selber macht und sie dann Verwandten und bekannten zeigt, der wird sich über die Blicke der anderen freuen.
Zum Geburtstag meines ältesten Sohnes, werde ich wieder eine Torte backen und modellieren. Er wünscht sich das Zelt mit dem Ritter, das auch in dem Buch zu finden ist. Mal sehen, ob ich das so hinkriege. ;-)
Probiert es einfach mal aus. Die Torten sind der absolute Blickfang und stellen alle anderen ganz leicht und schnell in den Schatten.
Ich wünsche viel Spaß beim nachmachen.
Miraone wünscht Euch noch einen schönen Tag und dankt für Lesungen und Bewertungen. weiterlesen schließen -
Büchner, Georg - Woyzeck
Pro:
schnell gelesen, ganz nette Geschichte
Kontra:
von Büchner...
Empfehlung:
Nein
Von dem Autor Georg Büchner haben wohl die meisten schon mal gehört, eines seiner bekanntesten und wohl auch zweifelhaftesten Werke ist der "Woyzeck", den ich in diesem Bericht etwas genauer unter die Lupe nehmen möchte.
Die Story
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Der Soldat Franz Woyzeck ist ein recht armer Mann, der ein wenig geistesgestört ist. Er hat eine Frau, Marie, ist aber nicht mit dieser verheiratet (war Soldaten damals vom Kaiser verboten worden), obwohl er einen Sohn (Christian) mit ihr hat. Marie und Christian sind sein ein und alles.
Woyzeck ist sehr bemühr um genug Geld zu verdienen, um seine Familie ernähren zu können, deshalb ist er nicht nur Soldat, sondern auch Barbier, er sammelt Stöcke und steht dem Doktor für seine medizinischen Quälereien zur Verfügung, ich denke das zeigt deutlich wie sehr Woyzeck seine Familie liebt.
Zum Doktor ist noch zu sagen, dass dieser nicht forscht um der Menschheit zu helfen, sondern um durch seine verrückten Experimente etwas zu erreichen und selber aufzusteigen. Er lässt Woyzeck z.B. 1/4 Jahr lang nur Erbsen essen, dass Woyzeck irgendwann daran sterben könnte ist ihm mehr als egal. Des weiteren demütigt er Woyzeck vor weiteren Menschen, er stellt ihn als Versuchskaninchen auf die Straße und behandelt ihn unmenschlich.
Eine weitere wichtige Figur in dem Stück ist der Hauptmann. Sein Wahlspruch lautet "Moral ist, wenn man moralisch ist." (50 Cent ins Phrasenschwein...)
Er ist vom Intelligenzgrad her nicht viel besser dran als Woyzeck, der Hauptmann versucht lediglich intelligent zu wirken, er ist es definitiv nicht.
Woyzeck gehorcht dem Hauptmann und versucht ihm nicht zu widersprechen, die einzige richtige Verbindung zwischen Woyzeck und dem Hauptmann besteht darin, dass Woyzeck ihn ab und zu für ein paar Groschen rasiert. Allerdings gibt es auch hierbei eine Demütigung, denn es handelt sich nicht nur um den Bart des Hauptmanns sondern auch um seinen Intimbereich.
Was wäre ein solches Buch (nebenbei bemerkt: ein Fragment, also ein unvollständiges Werk) ohne einen Nebenbuhler um das liebe Mädel?
Dieser ist hier in der Form des Tambourmajors zu finden, dieser will Marie haben für eine Beziehung auf rein sexueller Ebene. Er will mit Marie nur seinen Spaß haben und "eine Zucht von Tambourmajors aufmachen". Das schreckliche an der Situation ist dann, dass Marie auf den Tambourmajor eingeht, da sie sich von Woyzeck vernachlässigt fühlt. Der Major stammt aus einer höhere Gesellschaftsschicht und so hofft Marie ihre niedere Schicht verlassen zu können.
Hier kommt es zum Knackpunkt des Fragments, denn Woyzeck sieht Marie mit dem Tambourmajor beim Tanzen und die Eifersucht treibt Woyzeck in den totalen Wahnsinn. So geht er zu einem Juden und kauft ein Messer (für eine Pistole reicht sin Geld nicht). Einige Tage darauf lockt er Marie mit einem Vorwand in den Wald und führt seine grausame Tat aus, er ersticht sie.
Nach dieser Tat geht er zurück in die Stadt in eine Kneipe, dort fällt den Anwesenden das Blut an Woyzeck auf und Woyzeck verschwindet so schnell wie möglich wieder in den Wald.
Das Buch endet (zumindest in den meisten Auflagen, mehr dazu unten) mit der Aussage eines Polizisten:
"Ein guter Mord, ein echter Mord, ein schöner Mord. So schön, als man ihn nur verlangen tun kann. Wir haben schon lange so keinen gehabt."
Besonderes
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Georg Büchner verstarb bevor er sein Werk "Woyzeck" vollenden konnte. In seiner Kammer fand man sage und schreibe vier Versionen von Woyzeck, alle in einigen Punkten verändert. Per chemischen Verfahren machte man nach einiger Zeit die Handschriften Büchners wieder lesbar und druckte den Woyzeck, allerdings sollte es von nun an immer wieder andere Versionen geben, dies hat sich bis heute nicht geändert.
Es gibt dabei Unterschiede in der Szenenabfolge, in einigen Aussagen (bei manchen Fassungen wurde das unleserliche einfach ersetzt, in anderen wurden *** gesetzt) sowie in den Personen, in einigen Versionen taucht z.B. ein Idiot namens Karls auf, in einer anderen Version gibt es diesen nicht.
Meine Meinung
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Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich finde das Fragment schwachsinnig. Der gute Büchner (er hat u.a. auch "Dantons Tod" und "Leonce und Lena" geschrieben) verstarb während der Arbeiten an "Woyzeck" und seitdem versucht die Nachwelt den Text so zu basteln wie sie glaubt, dass er aussehen sollte. Ob Büchner nun insgesamt 50 Seiten schreiben wollte oder 500 wissen wir nicht, vielleicht sollte das was heute vorliegt nur ein Romaneinstieg darstellen?
Die Handlung an sich haut mich nicht vom Hocker, ähnlich wie die eines schlechten Krimis. Umso verwirrender macht es die Tatsache, dass man die Szenen nahezu nach Belieben drehen und wenden kann ohne dass dies für die Handlung irgendwelche Einflüsse hätte.
Noch viel bescheuerter finde ich die Tatsache, dass "Woyzeck" bis heute in den Deutschkursen an den Schulen gelesen und interpretiert wird. Was gibt es daran zu interpretieren, wir wissen definitiv nicht was Büchner damit wollte, er war ja nicht mal mit dem Stück fertig geworden!
Mir hat das Buch nie gefallen und das wird es wohl auch nie, die Personen sind durchaus interessant, aber es fehlt einfach was (deshalb ist auch ein Fragment), zudem ist die Sprache etwas ungewohnt (häufig heute ungewohnt Abkürzungen und dergleichen).
Daher lautet mein Urteil: Spart euch das ganze, es gibt besser Bücher aus dieser Zeit und von Büchner (ich empfehle "Dantons Tod"). Man kann "Woyzeck" zwar schnell lesen (die 33 Seiten schafft man in einer guten Stunde) hat aber auch nicht viel davon.
sonstiges
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Wie gesagt liegt "Woyzeck" in unterschiedlichen Versionen vor, die meisterverkaufteste ist vom Reclam Verlag.
Es gibt hier die Studienausgabe (drei Versionen von Woyzeck gesammelt) für 4,60 EUR, die kritische Ausgabe für 2,70 EUR, ein Sammelband (da ist dann noch Leone und Lena [ein Lustspiel, ganz nett zu lesen] mit bei) für 2,10 EUR sowie viele, viele andere Ausgaben samt zugehöriger Interpretationen. Wer den "Woyzeck" also mal erleben möchte hat eine Vielzahl von Möglichkeiten.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-10-13 14:14:34 mit dem Titel Büchner, Georg - Leonce und Lena
Das Lustspiel "Leonce und Lena" verfasste Büchner im Jahre 1836 anlässlich eines Preisauschreibens. Nach meinem Bericht zu Büchners "Woyzeck" stand in einigen Kommentaren, dass "Leonca und Lena" sträflicherweise kurz und knapp als "ganz nett" abgehandelt habe, deshalb hier meine ausführliche Meinung.
Story
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Leonce, Prinz vom Reiche Popo, sitzt auf einer Bank, als Valerio (ein Landstreicher oder was auch immer, da gehen die Interpretationen weit auseinander) vorbeikommt. Die beiden kommen schnell ins Gespräch, denn sie sind sich einig in der Ablehnung bürgerlicher Arbeitsmoral. Leonce spricht von seinem langweiligen und vorherbestimmten Leben am königlichen Hof. König Peter, der Vater von Leonce, möchte ihn mit Prinzessin Lena vom Reiche Pipi (ja, auch ich habe über die "genialen" Namen gelacht...) verheiraten und ihn dann zum König machen, damit er sich zur Ruhe setzen kann und ungestört über den Sinn des Lebens nachdenken kann. Leonce ist gegen die Hochzeit mit Lena, da mit dieser die Thronfolge verbunden ist und er beschließt mit Valerio nach Italien zu fliehen.
Selbiges auf der anderen Seite: Prinzessin Lena ist dem Heiratsplan ebenfalls hilflos ausgeliefert... Die Gouvernante hat Mitleid mit ihr und die beiden fliehen.
Leonca und Lena (jeweils samt Begleitung) treffen sich zufällig in einem Wirtshaus, ohne zu wissen wer die anderen sind. Die Gouvernante und Valerio beginnen ein Streitgespräch und als Lena die Gouvernante etwas fragt ist Leonce so verzaubert von ihrer Stimme und die beiden kommen ins Gespräch. Sie treffen sich nachts im Garten und Leonce küsst Lena, woraufhin sie flieht.
Leonce möchte Selbstmord begehen, doch Valerio hält ihn davon ab. Leonce und Lena beschließen dann doch zu heiraten (sie wissen ja immer noch nicht wen sie in Wahrheit heiraten sollen) und alle vier kehren zurück zum Königshof, wo die anderen schon auf das Hochzeitspaar warten. Die vier sind maskiert und Valerio stellt Leonce und Lena als Automaten vor, die einschließlich des Mechanismus der Liebe so konstruiert seien, das man sie zu Mitgliedern der Gesellschaft machen konnte. König Peter beschließt darauf diese zwei Menschen zu trauen.
*** ACHTUNG! Hier wird das Ende verraten! ***
Nach der Trauung nehmen die vier ihre Masken ab und es kommt zur Entlarvung des Paares, dem dadurch selbst die Augen geöffnet werden über den Zufall oder die Vorsehung, die hier im Spiel waren. König Peter gibt die Macht an seinen Sohn und zieht sich zurück.
Das Stück endet mit einer utopischen Vision von Valerio.
***** Hier geht's weiter *****
Wissenswertes / Besonderes
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Der Anlass zum Schreiben dieses Werkes war für Büchner wie gesagt ein Preisausschreiben im Januar 1836 durch die Cotta`sche Verlagsbuchhandlung, doch der gute Büchner hätte auf den Einsendeschluss schauen sollen, denn dieser verpasste er. So nahm er sich dann noch etwas mehr Zeit, schrieb einen weiteren Akt und "Leonce und Lena" erschien erstmals 1838 in der Zeitschrift "Telegraph für Deutschland".
Extrem auffallend ist die Parallelität einiger Ereignisse zu anderen bekannten Autoren und Werken, wie z.B. Shakespeares - "Wie es euch gefällt", Clemens Brentanos - "Ponce de Leon" sowie einigen Goethe Werken, Büchner lies sich durch diese Werke 'inspirieren'.
Das Buch ist in drei Akte eingeteilt, vor den ersten beiden Akten findet man eine kurze Strophe als Einleitung die einiges vorausdeutet, z.B. "O wär ich doch ein Narr! Mein Ehrgeiz geht auf eine bunte Jacke."
Es ist zudem ein modernes Drama der offenen Form, denn Büchner hält die drei Elemente Ort, Zeit und Handlung nicht ein.
Meine Meinung
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An meiner Einstellung im groben und ganzen hat sich nicht viel geändert, ich finde das Buch immer noch "ganz nett". Sehr interessant finde ich die verschiedenen Formen der Darstellung die Büchner verwendet, es gibt dabei Satire, Parodien und sogar Witze zum einen, zum anderen aber auch die Langeweile als Darstellungsmittel! Sehr interessant gelöst finde ich. Auch die Automatenszene (erinnet mich irgendwie an Marionettenszene im zweiten Akt in "Dantons Tod", ebenfalls von Büchner) ist sehr gelungen geschrieben.
Die Story hört sich teilweise an wie aus einem drittklassigen Liebesfilm, erinnert mich irgendwie an den Film "Der Prinz aus Zamunda"... (*** Achtung, nochmal Hinweise auf das Ende des Stücks! ***) Zwei Kinder haben keine Lust das zu run was die lieben Eltern wollen, sie fliehen, treffen sich (so ein Zufall aber auch), werden Freunde, sind kurz davor Selbstmord zu begehen, wollen dann doch heiraten und hach, welch ein Glück, es ist doch tatsächlich der wundervolle Gesprächspartner den man damals kennengelernt hat! (***)
Diese Darstellung mag übertrieben klingen, aber die Story haut mich echt nicht vom Hocker. Sie ist nett zu lesen, aber sonderlich unerwartete Wendungen hat sie nicht beinhaltet, so dass schon nach zehn Seiten klar war wie die Geschichte endet.
Insgesamt durchaus mal nett zu lesen für zwischendurch, denn die vierzig Seiten im Reclam-Format (diese kleinen, gelben Heftchen) sind in knapp über einer Stunde gelesen.
Ich kann das einmalige lesen empfehlen, aber öfter muss nicht sein, lediglich die Maschinentheorie war erneut interessant zu lesen.
In der Endabrechnung gebe ich dennoch eine 2, denn viel mehr negatives als das oben genannte kann ich nicht finden.
sonstiges
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"Leonca und Lena" liegt in verschiedenste Auflagen vor. Es gibt ein Taschenbach für 4,00 EUR, die von mir genannte Reclam-Ausgabe beinhaltet noch das Fragment "Woyzeck" und kostet 2,10 EUR. weiterlesen schließen -
Das Lächeln des Delphins - absolut faszinierend
11.10.2002, 20:51 Uhr von
clauds22
Hi ihr Yopi Leutchen, eigentlich bin ich hauptsächlich bei der Konkurrenzplattform Ciao tätig, ha...Pro:
schöne Story, toll geschrieben, sehr passend für Tierfreunde
Kontra:
nix
Empfehlung:
Nein
Hallo ihr Lieben,
meinen heutigen Berichte möchte ich dazu nutzen, euch ein Buch ans Herz zu legen, welches mir selbst durch einen tollen Bericht auf einer anderen Plattform aufgefallen ist. Nach dem Lesen dieses Berichts war ich sofort überzeugt, dass mir dieses Buch gefallen würde, habe es bei Amazon bestellt und es bis heute nicht bereut.
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Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive von der Schriftstellerin selbst erzählt. Sie hörte eines Tages eine faszinierende Geschichte von dem jungen Beduinen Abid’allah und seiner Freundin, dem Delphinweibchen Oline. Die Geschichte ist so unglaublich, dass Pascale, die Schriftstellerin, in das kleine Städtchen Mezaina am roten Meer fuhr, um es sich mit eigenen Augen anzusehen. Seit ihrem ersten Besuch dort, kam sie immer wieder und freundete sich mit den Bewohnern der Stadt an, und lernte natürlich auch Oline und Abid’allah kennen. Und was wäre eine Schriftstellerin, wenn sie diese Geschichte nicht auch zu Papier brächte...
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Der kleine Abid’allah verlor mit nur 5 Jahren sein Gehör, als er von einem Baum stürzte und ihm beide Trommelfelle platzten. Seit diesem Tag war er taubstumm und obwohl viele Beduinen das gleiche Schicksal ereilte (Beduinen dürfen keine Menschen anderer Völker, sondern nur untereinander heiraten, wodurch es immer mehr Behinderungen gibt), war er in gewisser Weise ein Außenseiter und galt sogar als verflucht. Eines Tages jedoch, nur 3 Wochen nachdem Abid’allahs Mutter bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben kam, begegnete Abid’allah ganz nahe am Strand von Mezaina einem Delphinweibchen und freundete sich mit ihr an. Von diesem Tag an hielt er täglich nach der Delphinflosse Ausschau und machte sich auf den Weg zum Strand, sobald er sie erblickte. Abid’allah und sein Delphinweibchen, das er Oline taufte, verband von da an eine innige Freundschaft. Online kam alleine, ohne andere Freunde ihrer Art, und schien sich diese Menschenfreundschaft ausgesucht zu haben und an diesem Platz bleiben zu wollen. Abid’allah und sie tauchten jeden Tag zusammen, kommunizierten über die Körpersprache miteinander, spielten und tauschten Zärtlichkeiten aus.
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Heutzutage ist es bekannt, was für eine heilende Wirkung Delphine auf die Menschen haben können, und auch damals passierte dasselbe. Abid’allah versuchte immer mehr mit Oline zu kommunizieren und fand schließlich nicht nur die Sprache wieder, sondern später sogar sein Gehör. Das Beduinenvolk war natürlich beeindruckt und konnte gar nicht glauben, was geschehen war. Abid’allah veränderte sich seit seiner Freundschaft mit Oline total, war nicht mehr länger der Außenseiter, sondern wurde mit der Zeit viel mehr zu einem der angesehensten Männer in Mezaina. Natürlich blieb diese faszinierende Story nicht unerzählt und somit kamen immer mehr Fremde aus aller Welt nach Mezaina, die sich davon überzeugen wollte, dass die Geschichte tatsächlich der Wahrheit entsprach und die natürlich auch Oline kennen lernen und mit ihr schwimmen wollten.
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Soviel soll es nun mal sein, was ich euch zur Geschichte des Buches erzählen möchte, denn schließlich sollt ihr es ja selber lesen. Ich persönlich fand die Geschichte an sich total rührend und einfach schön. Man bekommt die Beziehung von Abid’allah und Oline von Anfang an hautnah mit, ist dabei, wenn sie sich kennen lernen und wenn sie langsam ihre Freundschaft aufbauen. Man merkt, dass sich da zwei gefunden haben, die miteinander kommunizieren können, sich ohne Worte verstehen und sich gegenseitig sehr wichtig sind. Diese Beziehung zwischen Mensch und Tier ist immer wieder wunderschön, jedoch natürlich bei einem Delphin und einem Menschen umso eindrucksvoller.
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Die Schreibweise der Autorin finde ich sehr gut, jedoch ist sie nicht so leicht zu lesen, wie diverse andere Bücher, mit denen ich mich in letzter Zeit beschäftigt habe. Seichte Unterhaltung ist das also nicht gerade und man sollte schon mit dem Kopf bei der Sache sein, da man sonst eventuell Zusammenhänge nicht begreift und den Faden verliert. Auch irritiert hat es mich manchmal, dass ich bei den Namen der Beduinen nicht ganz durchgeblickt habe und ich so immer erst überlegen musste, von wem die Rede ist, damit ich auch niemanden verwechsle. Mit deutschen Namen wie Rainer, Klaus und Anna hat man es da eben doch leichter ;) Mit ein wenig Konzentration gelingt dies aber auch und gegen später, wenn man sich erst mal in die Geschichte eingefunden hat, ist es sowieso kaum noch ein Problem.
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Sehr gut gefällt mir auch, dass es in der Mitte des Buches noch einige Farbfotos von Abid’allah, Oline und dem kleinen Beduinendorf gibt. So hat man gleich einen Bezug zu den Menschen und dem Buch, kann sich noch besser vorstellen, wie es dort aussieht, und kann natürlich auch den Menschen Gesichter zuordnen, was immer ein positiver Aspekt ist und die Geschichte lebhafter macht.
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Bei meiner Ausgabe handelt es sich übrigens um ein Taschenbuch des Ullstein Verlags mit knapp über 220 Seiten, welches ich für schlappe 7,95 Euro bekommen habe, die sich im Endeffekt absolut gelohnt haben. Ich möchte dieses Buch auf jeden Fall mit der Höchstbewertung weiter empfehlen, weil ich es einfach wunderschön fand, mir die Geschichte toll gefiel und man noch dazu einige kleine Dinge nicht nur über Delphine, sondern auch über die Beduinen lernt. Für Tierliebhaber ist dieses Buch auf jeden Fall geeignet, und auch die anderen werden hoffentlich ihre Freude damit haben. Ich wünsche euch viel Spaß beim Schmökern!
Titel: Das Lächeln des Delphins
Autor: Pascale Noa Bercovitch
Verlag: Ullstein Verlag
Preis: 7,95 Euro
Seitenzahl: 224
ISBN Nummer: 3-548-36291-5
Grüssle, eure Claudi weiterlesen schließen -
Jutta Beyrichen, Die Pferdefrau....
07.10.2002, 23:34 Uhr von
little_maryann
Hallo, ich heiße Marion, bin 53 Jahre alt und lebe mit meinem Lebensgefährten und meinem 26 jäh...Pro:
bringt einem Irland nah, man lernt einiges über Pferde
Kontra:
man kann es nicht aus der Hand legen
Empfehlung:
Nein
In meinem Freundeskreis wurde ein Buch weitergereicht, das eine junge Frau geschrieben hat, die mit uns im Datingcafe chattet. Ich kenne sie seit Silvester 2000/2001 persönlich und kann nur sagen: Jutta das hast Du fein gemacht.
Es handelt sich um ein Taschenbuch, das im Knaur Verlag verlegt wird und den Titel „Die Pferdefrau“ trägt. Hier eine kurze Übersicht:
Die 28 jährige Tierärztin Christine besucht ihren Vater in Irland. Sie trägt einen tiefen Kummer in sich , den sie jedoch auch ihrem Vater nicht anvertraut. Der hatte sie als kleines Mädchen nach der Scheidung bei ihrer Mutter zurück gelassen und war als Aussteiger nach Irland gegangen
Auf dem Gestüt, das neben dem Haus des Vaters liegt, lernt sie die Geschwister O ´Flaherty kennen, freundet sich mit ihnen an, und findet so wieder Gefallen am Leben. Dazu trägt inbesondere ein schreckhaftes Rennpferd bei, das völlig verängstigt jedes Vertrauen zu den Menschen verloren zu haben scheint. Mit viel Geduld, Zuneigung und Leckereien gelingt es Christine sich diesem Tier zu nähern um es wieder ins Leben zurück zu bringen.
Dazwischen passiert viel aufregendes, ein Hund wird vergiftet, ein Pony erstochen, ein weiteres verletzt und zwischen all dem und einer unerwarteten Liebesgeschichte, bekommt man viel von der grünen Insel und von Pferden erzählt.
Ich habe dieses Buch an einem Abend durchgelesen, na ja der Abend war etwas länger, aber ich konnte es, nachdem ich damit begonnen hatte, nicht mehr aus der Hand legen. Es ist wirklich flüssig und gut geschrieben, man kann sich leicht hinein versetzen und es so ein bisschen miterleben. Es ähnelt etwas dem Pferdeflüsterer, aber wer sagt, das nur ein Robert Redford zu so was in der Lage ist. ;-)
Ich hab´s sonst nicht mit Pferden, für mich sind diese Tiere sonst nur laufende Sauerbraten, aber dieses Buch fand ich toll.
Ich würde es für ein typisches Frauenbuch halten und Jutta schreibt selbst, „in der Tat dürften es wohl nur sehr wenig Männer geschafft haben es zu lesen“
Die Autorin Jutta Beyrichen ist jetzt 38 Jahre alt und lebt mit ihren beiden Jungs in Franken. Ich schätze sie sehr, denn sie ist eine sehr liebenswerte, gebildete und immer freundliche junge Frau, mit der das Leben bisher nicht immer freundlich umgegangen ist
Das Buch hat die ISBN Nummer 61457 hat 500 Seiten und ist für 6 Euro bei amazon erhältlich. Wem der Titel bekannt vorkommt, der gleichnamige Film ist vor einigen Wochen auf einem Privatsender gelaufen. weiterlesen schließen -
Geständnisse Eines Küchenchefs - Anthony Bourdin - Der absolute Gourmetklassiker!!
06.10.2002, 17:45 Uhr von
Sepp-das-Wiesel
Was schreibt man denn hier so? Langweilt das die Leutchen nicht? Aus Mittelfranken hinaus in d...Pro:
Überraschungen - Geständinisse - Wahrheiten - einfach Kult
Kontra:
gewöhnungsbedürftiger Schreibstil
Empfehlung:
Nein
„Er kochte laut, er kochte leise,
doch was er kochte, war meist Sch....“
Was muss jemanden dazu bringen, in schlecht beleuchteten und schlecht belüfteten heissen Räumen – Küchen genannt – zu Arbeiten?
Unterdurchschnittliche Bezahlung, miese Arbeitszeiten, Stress und Hektik! Das kann es nicht sein.
ABER - Es ist wie eine Droge, eine Droge zu kochen! Gibt es so was, oder sind alle Köche einfach total verrückt?
Diese Leute in weißer Kleidung (meistens jedenfalls) nennt man Köche.
Menschen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, anderen Menschen etwas essbares zu produzieren. Mit mehr oder weniger Liebe hängen sie sich jeden verfluchten Tag in ihre Arbeit.
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„Geständisse eines Küchenchefs – Was Sie über Restaurants nie wissen wollten“
ist eine Autobiographie der besonderen Art. Anthony Bourdain schildert seinen Lebenslauf, seine Karriere von der Produktionsdrone über die Kochacademie bis hin zum anerkannten Küchenchef.
Der Wahl-New-Yorker französischer Abstammung schildert seine Erlebnisse eines für ihn schönsten Berufe die es gibt. Er beschreibt aber auch wie der tägliche Wahnsinn in kleinen wie auch Großküchen abgeht.
Einige Beispiele, bitte sehr:
__„Montags nie Meeresfrüchte!“ Warum? Ganz einfach! Weil am Wochenende niemand Arbeitet, und woher sollen dann bitte frische Meeresfrüchte oder Fisch schon herkommen. Außer der alte fast stinkige schmierige Fisch aus dem Abtauwasser der Styroporkisten, ist kein frischer Fisch erhältlich!
__Bestelle niemals was dir der italienisch schmierige Oberkellner versucht aufzuschwatzen! Warum? Ganz einfach, weil das meist das Zeugs ist, was der Küchenchef aus seinem Kühlhaus raus haben muss, ansonsten müsste es am Abend wegschmeißen werden, und somit stimmt sein Wahreneinsatz nicht mehr.
__Hochzeitsfeier im Dreadnaught:
„mit fiel vor allem die Braut auf, die sich irgendwann in die Küche hereinbeugte und fragte, ob nicht einer von uns ein bisschen Hasch hätte. Sie war blond, und sah gut aus in ihrem jungfräulichen Weiß. Sie unterhielt sich leise ein paar Sekunden lang mit Bobby dem Chef, er grinste plötzlich übers ganze Gesicht, sodass die sonnenverbrannten Krähenfüsse um seine Augen noch deutlicher sichtbar wurden. Tony, behalt mal meinen Posten im Auge, und huschte prompt zur Hintertür. Direkt vor dem Fenster beim Geschirrspüler befand sich ein eingezäunter Müllbereich, der den gestapelten Müll und die Tonnen essbarem Abfall, gegen den Parkplatz anschottete.
In kürzester Zeit spähten wir alle – Tommy, Laydia, der neue Spüler und ich – durch das Fenster, wo Bobby, direkt im Blickfeld seiner versammelten Mannschaft, die Braut sehr geräuschvoll von hinter vöge... Sie hielt sich bereitwillig über ein 250 Liter Fass beugt, ihr Kleid war über die Hüften hochgeschoben. Bobby hatte seine Schürze gerafft, sie ruhte auf ihrem Rücken, während er heftig pumpte. Die Augen der jungen Frau verdrehten sich, ihr Mund flüsterte: Ja, jaaaa..gut ...gut...
Und genau in diesem Augenblick, wusste ich es --- ich wollte Chefkoch werden“
Gekürzt aus dem Original, nur damit ihr mal einen Einblick habt um was es beim Kochen geht *grins*
Tony beschreibt aber nicht nur Küchengeheimnisse, auch die Schattenseiten des Berufs.
Was allgemein bekannt sein dürfte, haben Köche eine sehr niedrige Lebenserwartung.
Der typische Koch stirbt an einem Herzinfarkt während er gerade ein 200ter Bankett schickt!
Schicken heißt so viel wie zubereiten und servierfertig machen.
Viele seine Kollegen, wie auch Tony selbst, verfallen dem Alkohol, den Drogen. Etwas Dope hier, etwas Hasch da, bis zur Heroinsucht. Partys und Durchzechte Nächte – Sexorgien und Fleischschmuggel, Messerstecherein mit Spülern und Personalsorgen vor dem Abendserviece.
Was macht man, wenn Fahrer von Lieferfirmen sich selbst mit Fleisch und Fisch versorgen, und dem Restaurant einige Kilos Ware unterschlagen?
Was macht man, wenn der Saucier sich wenige Minuten vor einem wichtigen Essen den Daumen fast abschneidet? – ich weiss es. Der Typ ist so irre, das er ne Flasche Kochcognac säuft, den Daumen abbindet und weiterarbeitet. Erst nachdem das Essen raus ist, geht er schier bewusstlos zum Arzt.
Die Selbständigkeit vor Augen, schildert Tony, wie unzählige seiner Arbeitgeber sind nach mehr oder weniger kurzen Zeit vor dem Ruin befinden. Die Besitzer des Lokals wechseln, das Personal bleibt das gleiche – und ein halbes Jahr später geht die Story von vorne los.
Der Traum vom eigenen Restaurant, in dem die Gäste gut bedient werden, leckers frisches Essen mit viel Liebe und Herz gekocht serviert bekommen.
Er will Chefkoch werden, wenn nicht in seinem eigenen, dann doch zumindest in einem bekannten und angesagten Restaurant.
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Anthony Bourdain hat seinen eigenen Schreibstil. Aber genau das macht das Buch so interessant. Die Geschichten die er dem Leser auftischt, lesen sich so locker und aus dem Bauch heraus geschrieben, das die Geständnisse eines Küchenchefs einen nicht mehr loslassen, bis die letzte Seite erreicht ist.
Mit viel Witz und Selbstironie beschreibt Tony die Arbeit und das Leben eines Menschen vom Tellerwäscher bis zum Chefkoch.
In kurzen Ansätzen schildert Tony sein Privatleben, welches nur beiläufig gelebt wird.
Er ist verheiratet, scheint mir aber nur eine Art Zweckbeziehung zu sein.
„Den Ernsthaften, denjenigen, die wissen, worauf sie sich da einlassen, die auf alles vorbereitet sind, bereit, willig und fähig, sich einer Berufslaufbahn zu verschreiben wie beispielsweise Scott Bryan – Menschen also, die tatsächliche Meisterköche werden wollen und es werden müssen, egal, welche persönlichen Opfer und körperliche Anstrengungen das mit sich bringen wird -, ihnen hab ich folgendes zu sagen:
-- Willkommen in meiner Welt!
1. Mit Haut und Harren dabei sein.
2. Du sollst nicht stehlen
3. kommen Sie immer pünktlich
4. Gebrauchen Sie keine Ausreden, und geben Sie nie anderen die Schuld
5. Melden Sie sich nie Krank
6. Faul, Schlampig und Langsam – das ist schlecht
7. Sie müssen damit rechnen, jede Spielart von menschlichem Wahnsinn und Ungerechtigkeit zu erleben.
8. Rechen Sie mit dem schlimmsten
9. Versuchen Sie, nicht zu Lügen
10. Vermeiden Sie Restaurants mit dem Namen des Eigentümers über der Tür
11. Denken Sie immer an den Lebenslauf
12. Lesen Sie! Lesen Sie Kochbücher, Fachzeitschriften
13. Nehmen Sie alles mit Humor
Wer diese Regeln beachtet, kann laut Tony ein guter Chef werden! Aber nur vielleicht!
Ein Fazit
Für jeden der gerne liest und isst, für jeden der schon immer mal einen Blick hinter die Kulissen der Gastronomie blicken wollte und für diejenigen unter euch die sehr Neugierig sind, ist Tonys Buch einfach ein MUSS.
Für Sterneköche oder die es einmal werden wollen, ist das Buch teilweise autobiographisch.
Einige Stellen erinnern an selbst erlebte Ereignisse, vielleicht auch in leicht veränderter Form.
Das Buch kann als Anleitungsbogen verstanden werden, Essen, egal ob von der eigenen Frau, der Mutter oder einem Profikoch zubereitet, schätzen zu lernen.
Eine witzige und Ironische Darstellung einer Lebenseinstellung.
Die Hilfeleistung für junge Menschen in den Kreis der Durchgeknallten aufgenommen zu werden.
Kulinarische Hochgenüsse, dekoriert mit einigen Küchenchinesisch – sprich, Küchenfranzösisch.
Wie immer bedanke ich mich für eure Aufmerksamkeit.
Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen, und freue mich stets über eure hoffentlich positiven Bewertungen und zahlreichen Kommentare.
Wer mich mal zu Essen einladen will, kann dies auch gerne tun, denn wir Franken sind ein Geselliges Völkchen und lehnen freie Kost und Logis nicht ab.
Macht’s gut und bleibt gesund
makullubas
(Sepp-das-Wiesel)
p.S.
Hier noch einige Übersetzungen zum besseren Verständnis des Buches
Amuse Gueule – kleiner Gruß aus der Küche, zum Beginn eines Menüs, kostenlos
Sous-Chef – stellvertretender Küchenchef, in großen Küchen meist als Saucier
Saucier – Er kümmert sich um alle Sossen, Fisch und Fleisch
Entremetier – Er kocht alle Suppen und sämtliche Beilagen
Gardemanager – zuständig für die kalte Küche, d.h. alle kalten Vorspeisen, Salate, Brote uw.
Beurre noisette – Nussbutter
rognous de véau – Kalbsnieren
boudin noir – Blutwurst
merde..merde..merde – Scheiße Scheiße Scheiße
profiterols – Brandteiggebäck
chaud-froid –Glassur eines meist gefüllten ausgelösten Tierkörper –teile
Frage:
Welches ist der älteste Beruf?
Der Koch, den schon in der Bibel steht: „Sie hatten lange weiße Gewänder, und irrten Umher!“ weiterlesen schließen
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