Kieser Training Testbericht

Jahrelang hat mich mein Lebensgefährte auf die höchsten Berge gehetzt und bei rasanten Tennismatches gefordert. Dann war er plötzlich mein Ex - und aus war’s mit dem mir in der Zwischenzeit lieb gewordenen Wander- und Tennisvergnügen. Meine Versuche, Partner für meine sportlichen Aktivitäten zu finden, erwiesen sich leider als nicht erfolgreich, der Typ für Wandervereine usw. bin ich auch nicht. Aber Bewegung muss sein, wenn frau figur- und gesundheitsbewusst leben möchte.

= = =Schwellenängste melden sich= = =

Was also tun? Natürlich – ins Fitnesscenter! Das kannst du allein auch machen, kam mir die Erleuchtung. Aber in welches? Schwellenängste meldeten sich. Wie würde ich mich fühlen, im Kreis von superschlanken, durchtrainierten 18-jährigen Frauen und Männern mit Modelfigur?

Das war nämlich so meine Angstvorstellung von Fitnessstudios. Nicht dass ich dick oder unförmig bin, aber mit bulimieverdächtigen Teenies Aerobic zu hüpfen, das wär’s doch nicht so ganz gewesen.

Dann las ich in einer Tageszeitung einen Bericht über das damals in Wien relativ neue KIESER Training - ein Gerätetraining ohne das sonst in Fitnesscentern übliche Ambiente wie rhythmische Musik, Shop, Saftbar, Sauna usw. – ein gesundheitsorientiertes Muskeltraining, also nicht nur Bodystyling für jugendliche Model-KandidatInnen.

= = =Schnuppertraining= = =

Kurz entschlossen startete ich einen Versuch. In einem Schnuppertraining erklärte mir und einigen anderen Interessenten ein freundlicher Trainer die einzelnen Geräte und ihre Wirkungen. Die große, helle, gut belüftete Trainingshalle mit den modernen, lautlosen Geräten sprach mich sehr an. Die Garderoben waren ebenfalls ok – sauber und vom puristischen Metalldesign her ansprechend. Ich riskierte eine Mitgliedschaft. Damals war es noch möglich, 3 Monate zu buchen. Inzwischen kann man nur mehr einen Vertrag für 1 Jahr oder 2 Jahre abschließen.

Dass man sich, wenn man einen Vertrag abschließt, von einem Sportarzt direkt bei KIESER kostenlos nach Terminvereinbarung checken lassen kann, hat mir sehr zugesagt. Aber was passiert bei dieser kurzen Untersuchung? Der Sportarzt bot mir weitere Konsultationen in seiner Privatpraxis an, die ich selber bezahlen hätte müssen (er hat keine Krankenkassenverträge) und außerdem riet er mir wegen meiner Verspannungen im Nackenbereich zu speziellen medizinischen Geräten, die in einem eigenen Raum bei KIESER unter Aufsicht von eigens geschulten Trainern nach den jeweils gekauften Einheiten benutzt werden können. Ich weiß heute nicht mehr, was das gekostet hätte – jedenfalls sehr viel.

= = =Teures Zusatztraining= = =

Zum Glück hatte ich den Mut, mir dieses teure Zusatztraining nicht gleich einreden zu lassen, sondern sagte, ich hätte jetzt ohnehin gerade eine Mitgliedschaft gekauft und wolle erst einmal schauen, ob sich meine Beschwerden nicht auch durch das normale Training bessern würden.

KIESER ist zwar preislich günstiger als viele andere Fitnesscenter, bietet dafür aber auch weniger. Was mir besonders abgeht, sind Geräte für Konditionstraining wie Laufband oder Ergometer usw. – diese sind aber mit der KIESER Philosophie nicht vereinbar, die diesbezüglich Bewegung an der frischen Luft empfiehlt.

Viele „Neuen“ bei KIESER trauen sich nicht, dem Arzt zu widersprechen und lassen sich beim kostenlosen Gesundheitscheck nach Abschluss des Vertrags teure Zusatzbehandlungen oder weitere Konsultationen bei diesem Sportarzt einreden. Erst kürzlich hat mir eine Frau, die auch bei KIESER trainiert, erzählt, sie bezahle dem Arzt 20 Euro (ohne Rechnung) dafür, dass er ihr die Geräte empfiehlt, die für sie besonders geeignet sind und die Trainingsdauer festlegt (also z. B. 10 mal diese oder jene Übung). Ob das seriös ist, soll jeder für sich entscheiden.

Bei Abschluss des Vertrags wird man darauf gedrängt, gleich einen Termin mit dem Arzt zu vereinbaren, da das Angebot des kostenlosen Checks nur eine Zeitlang gewährt wird. Ich sag da nun immer: „Nein, das möchte ich jetzt noch nicht - ich bin berufstätig und weiß nicht genau, wann ich Zeit haben werde, da muss ich erst am Kalender nachschauen.“

Ich trainiere jetzt schon einige Jahre bei KIESER und verzichte bei meinen Vertragsverlängerungen auf diesem Arzt-Check, weil ich nach meiner ersten Erfahrung davon ausgehe, dass mir dort wieder teure Behandlungen eingeredet werden und ich mich dem Stress nicht aussetzen will, mich dauernd dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich die nicht dazukaufen will.

= = =Das Geschäft mit den Zusatzbehandlungen= = =

Das Geschäft mit diesen Zusatzbehandlungen scheint jedenfalls zu florieren, denn in dem Raum, in dem diese medizinischen Spezialgeräte stehen, sieht man immer wieder Leute trainieren.

Mag sein, dass das teure Spezialtraining auf diesen Geräten ja nützlich ist, wenn man wirklich starke Beschwerden hat. Mir hat das „normale“ Training jedenfalls bereits geholfen, meine Nackenverspannungen und die damit verbundene Migräne sehr zu reduzieren. Ich rate jedem, bevor er die teuren Zusatztrainingsgeräte bucht, es einmal mit dem „normalen“ Training zu versuchen, das wirklich oft auch schon Wunder wirkt, wenn man regelmäßig ein- bis zweimal wöchentlich zum Training kommt.

Die meist sehr freundlichen TrainerInnen stellen gemeinsam mit dem Kunden das Trainingsprogramm zusammen. Die Daten (also wie viele Sekunden man mit welchem Gewicht auf welchem Gerät trainiert) trägt man auf einer Trainingskarte ein und kann dann selber das Gewicht vorsichtig steigern, wenn man länger als 90 Sekunden unter dieser Gewichtsbelastung trainieren konnte.

Ein Training umfasst alle Muskelgruppen – Bauch, Arme, Beine, Schultern, Nacken…
Wer aber abnehmen oder Kondition schinden will, sollte sich nicht allein auf KIESER verlassen.

= = =Von Zeit zu Zeit gibt’s ein „geführtes Training“= = =

Wenn auf der Trainingskarte eine bestimmten Anzahl von Besuchen (etwa 20) absolviert ist, gelangt man zum Hinweis: „Training vereinbaren!“ Man macht sich dann einen Termin für ein so genanntes „geführtes Training“ aus. Diese Termine werden nur ca. 4 Wochen im Voraus vergeben. Bei diesem Training sieht sich einer Trainer kurz an, ob man die Übungen richtig ausführt und nimmt eventuell eine Änderung des Trainingsprogramms vor, was sich empfiehlt, um das Training abwechslungsreicher zu gestalten. Dieses geführte Training ist im Preis enthalten. Die Qualität richtet sich nach dem Engagement und der Kompetenz des jeweiligen Trainers, der einem dafür zugeteilt wird. Bei diesem „geführten Training“ betreut ein Trainer einige Kunden gleichzeitig. Das heißt, er geht von einem zum anderen, schaut sich kurz an, ob die Übung richtig gemacht wird und gibt im besten Fall Feedback. Ich hab leider schon erlebt, dass mich eine Trainerin beim geführten Training total vergessen hat. Sie hat sich nachher entschuldigt, dass ihr das noch nie passiert sei. Normalerweise empfehlen die Trainer, dass der Kunde sein Übungsprogramm einfach durchmacht wie sonst und sie kommen vorbei und kontrollieren die Übungen. Tatsächlich ist es aber besser, man wartet mit Beginn der einzelnen Übung auf den Trainer, weil der sehr oft aufgehalten wird (andere Kunden, die er gerade betreut, Telefon usw.) und man längst mit dem maximal ja nur eineinhalb Minuten dauernden Übungsprogramm pro Gerät fertig ist, wenn er dann schließlich erscheint.

= = =Dass die TrainerInnen so häufig wechseln, spricht wohl kaum für ein gutes Arbeitsklima= = =

Die TrainerInnen sind übrigens in einer Art „Uniform“ einheitlich schlicht in dunkelblaue, lange Hosen und weiße Blusen oder Hemden gekleidet und dürften nicht sehr gut bezahlt werden, weil die Fluktuation des Personals recht hoch ist und, wie ich entsprechenden Zeitungsinseraten entnehme, immer wieder solche Arbeitskräfte gesucht werden.

Gespart wird auch bei der Klimaanlage, die bei Hitze immer viel zu schwach eingestellt ist. Bei den Duschen und Wasserhähnen muss man in kurzen Abständen immer wieder auf einen Knopf drücken, um weiterhin Wasser zu bekommen. Das nervt.

Die Duschen sind überhaupt ein „neuralgischer Punkt“. Oft sind sie defekt, rinnen, tropfen, spritzen nach allen Seiten und lassen sich nicht mehr richtig in der Höhe verstellen oder drehen. Eine regelmäßige Wartung durch einen guten Installateur wäre hier wirklich ein wahrer Segen, der den Kunden viel Ärger ersparen würde!

Ich hab es auch schon erlebt, dass es beim KIESER im 7. Bezirk wochenlang kein warmes Wasser zum Duschen gab. Vom Personal hab ich immer nur gehört: „Ja, die Hausverwaltung hat leider noch nichts unternommen.“ Es gab damals noch so Kärtchen in den Garderoben, die man Werner Kieser, dem ehemaligen Boxer und Gründer dieser Fitnesscenter-Franchise-Kette, persönlich kostenfrei in die Schweiz schicken konnte, wenn man ein Anliegen hatte. Ich hab damals so ein Kärtchen geschrieben, in dem ich höflich auf diesen wochenlangen Missstand mit dem kalten Wasser hingewiesen hab, und es an KIESER in die Schweiz geschickt – aber nie eine Reaktion bekommen, was mich auch sehr desillusioniert hat. Inzwischen sind diese Kärtchen ohnehin ersatzlos verschwunden.

Das KIESER Training hat zwar täglich offen, ausgerechnet am Samstag und Sonntag allerdings leider nur bis 18 Uhr – unter der Woche bis 21 Uhr 30.

= = =Wenn das Personal die Mitgliedskarte verschlampt, soll der Kunde zahlen= = =

Mit der Mitgliedskarte kann man in allen über 145 KIESER Betrieben auf der ganzen Welt trainieren. Aber Achtung: Meine Mitgliedskarte, die man bei jedem Besuch abgeben muss, um im Gegenzug dafür ein Vorhängeschloss für die Garderobekästen zu bekommen, ist einmal verwechselt worden und nie wieder aufgetaucht. Als man damals von mir verlangt hat, ich soll für eine neue Mitgliedskarte selber zahlen, hab ich mich schon sehr geärgert, weil es ja die Schlamperei des Personals war, dass die Karte verloren gegangen ist und nicht meine Schuld! Erst nachdem ich nachdrücklich festgestellt hab, dass ich das äußerst ungerecht finde, erklärte man sich bereit, mir eine neue Karte anzufertigen, ohne dass ich dafür bezahlen musste.

Bei nachgewiesener Übersiedlung ins Ausland erlischt der Vertrag, ebenso bei ärztlich bestätigter Krankheit, die ein weiteres Training ausschließt. Aber was ist, wenn man z. B. eine Erkrankung oder Operation hat und daher nur ein, zwei Monate nicht trainieren kann? Mir ist genau das passiert nach einer Knieoperation. Da hat man mir gesagt, ich könne den Vertrag mit entsprechender ärztlicher Bestätigung kündigen, aber nicht ruhen lassen. Ich würde es fair finden, wenn sie einem in so einem Fall die entgangene Trainingszeit gut schreiben. Früher war das auch so üblich, wenn man eine ärztliche Bestätigung, dass man nicht trainieren darf, vorgelegt hat. Leider hat sich das geändert. Wenn man aus dem Vertrag aussteigt, kriegt man anteilsmäßig etwas vom Kaufpreis zurück – die genaue Rechnung dafür kenne ich nicht, nehme aber an, dass man dabei Verluste in Kauf nehmen muss.

Dass barfuss zu trainieren und die modischen ärmellosen Tops beim Training verboten sind (erlaubt sind nur T-Shirts mit kurzen Ärmeln), find ich ok. Ein Fitnesscenter ist schließlich keine Teenie-Modenschau und keiner will wohl gern auf verschwitzten Geräten trainieren. Handtücher sind beim Training natürlich auch obligat.

Das Publikum ist angenehm – vom Studenten bis zum Pensionisten ist alles vertreten. Leider kommt es immer wieder vor, dass man auf ein Gerät, das gerade ein anderer benutzt warten muss.

= = =Fazit= = =

KIESER zahlt sich aus, wenn man für längere Zeit trainieren will und dabei auf Geräte zur Konditionsverbesserung verzichten kann und keinen Wert auf Lifestyle, soziales Interagieren mit anderen Trainierenden und andere trendige Highlights wie eben Saftbar, Shop, Musik, Sauna, Schwimmbad legt. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist verglichen mit anderen Fitnesscentern okay, wenn man das Beste draus macht und keine Ansprüche auf gehobenen Komfort legt. Immerhin gibt’s einen Haarfön in der Garderobe - ein Schuhlöffel ist mir allerdings schon oft abgegangen.

Preise: keine Einschreibgebühr, keine automatische Vertragsverlängerung, 12 Monate 490,-, 24 Monate 750,-; bei Vertragsverlängerung wird meist ein Rabatt offeriert. (Stand: Juli 2008)