Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von himmelssurfer

Sein ohne Schein

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Liebe Leser!

Anfang vergangenen Jahres hat die Frauenzeitschrift \"allegra\" zum wiederholten Male einen Literaturwettbewerb ausgeschrieben. Da ich bis dahin immer im \"stillen Kämmerlein\" vor mich hingeschrieben hatte, habe ich, nach ein, zwei Schubsen meiner Musen, mich dazu entschlossen, ebenfalls einen Beitrag einzusenden. Das Motto des Wettbewerbs lautete \"Briefgeheimnisse\". Tja, was soll ich sagen, über ein halbes Jahr auf das Ergebnis warten, macht einen irgendwie kirre. ;-) Letztlich wurden über 3000 Beiträge eingesandt, wovon nach einer Vorauswahl lediglich 25 an eine Jury weitergereicht wurden. Meine leider nicht. *sniff*. Aber naja es gibt ja ein nächstes Mal und so kann ich Euch nun meine Geschichte zur Verfügung stellen. vielleicht hat ja die/der eine oder andere Gefallen daran.

Die 25 Geschichten, die an die Jury gegeben wurden, sind unter dem Titel \"Briefgeheimnis\" als Buch veröffentlicht worden.

RED DRESS INK Taschenbücher
CORA Verlag GmbH & Co, KG, Hamburg
ISBN 3-89941-105-6
7,95 Euro

Ob es diesen Wettbewerb in irgendeiner Form weiterhin geben wird, kann ich nicht sagen, wurde die Zeitschrift doch zwischenzeitlich eingestellt, wie es scheint.

So, und nun hoffe ich, Ihr habt Freude an meiner Geschichte:

*Sein ohne Schein*

Magda. Magda Schneider war ihr Name. Eine frühere Arbeitskollegin von mir. Warum muß ich gerade jetzt an sie denken? Vielleicht wegen des Briefes, den ich gerade in der Hand halte...und mit dem ich im Moment so gar nichts anfangen kann. Er macht mich nahezu fassungslos. Das Denken friert ein. Zumindest das Thema des Briefes betreffend. Die Vergangenheit hingegen wird wieder faszinierend real. Gedankenwellen überfallen mich wegen der Geschichte damals.

Aber erst einmal zurück zu dem Brief: Er ist von einem Ex-Freund von mir, den ich seit mindestens 12 Jahren nicht gesehen habe. Der Schlußstrich unter unserer Beziehung war so ziemlich der härteste, den ich je ziehen mußte. Die Schlußphase war geprägt von hitzigen (sinnlosen) Diskussionen, Anschreien, Wutausbrüchen, Heulkrämpfen und allem, was sonst noch so „dazu gehört“. Mit einem Satz: es war entsetzlich, schrecklich, grauenvoll. Ich habe bis heute nicht begriffen, wie Männer es immer wieder schaffen, frau ein schlechtes Gewissen damit zu machen, daß er angeblich „gezwungen war, fremdzugehen“ und sie gleichzeitig als „Schlampe“ zu bezeichnen.
Warum stellt sich in den meisten Fällen immer heraus, daß das, was frau an einem Mann anfangs faszinierend fand, seine schlechten Charaktereigenschaften waren; sofern er im Nachhinein überhaupt einen hatte. Charakter meine ich.

Dieser Ex-Freund meldet sich nun also wieder mit den Worten:

„Hallo Helen!“ (das bin ich)

„Bin demnächst geschäftlich in der Stadt und dachte, wir könnten uns mal wieder sehen und einen Kaffee trinken gehen. Hast Du Lust?“

Entschuldigen Sie, aber ich muß mich erst einmal setzen. Wie dreist kann mann eigentlich sein? Es gab keinerlei Entschuldigung, kein „klärendes“ Gespräch. Nichts! Nur Streit und Vorwürfe. Und jetzt kommt der Kerl und will mal eben „einen Kaffee“ mit mir trinken?? Sorry, aber auch frau lernt dazu. NEIN, ich werde keinen Kaffee mit ihm trinken. Auch nach der langen Zeit nicht. Oder vielleicht gerade deswegen nicht.

Muß mich ablenken, um nicht durchzudrehen...
Also die Gedanken fließen lassen.
Magda ist immer noch da.
Vielleicht sollte ich lieber ihr Raum in meinen Gedanken geben. Der Brief. Mit einem Brief fing alles an. Irgendwie.

Aber lieber von vorne. Magda und ich arbeiteten damals in einer kleinen Firma zusammen mit etwa einem Dutzend weiterer Frauen. Magda war eine kleine graue Maus. Trug unaufällige Kleidung, unaufällige Frisuren, unaufälliges Make-up und überhaupt: fiel sie keinem auf. Sie saß immer alleine, wirkte stinklangweilig, machte ihre Arbeit und ging nach Hause. Keiner wußte, wo sie wohnte oder was sie sonst noch machte. Es interessierte auch niemanden.
Der einzige Gedanke, den ich anfangs über sie hatte, war: „Magda Schneider, was für ein bescheuerter Name...“. Bis mir auffiel, daß mein eigener, Helen Müller, auch nicht viel besser war. Nun ja, sie störte nicht und wir ließen sie in Ruhe.

Eines Tages nun bekam sie einen Brief in die Firma. Was ja noch nichts ungewöhnliches war, da wir viel mit Schriftverkehr zu tun hatten. Dieser Brief allerdings war „persönlich“, was der Postbote auch ausdrücklich betonte. Nun ja, wir nahmen es zur Kenntnis und vergaßen es wieder.

Bis sie einen weiteren „persönlichen“ Brief bekam...und noch einen und noch einen. Plötzlich waren es zwei oder drei in der Woche. Nun will ich ja nicht das Vorurteil unterstützen, Frauen seien neugierig, aber DAS war nun doch ein Umstand, der uns
alle irgendwie beschäftigte. Was war das? Von wem kamen die Briefe? Und warum kamen die Briefe in die Firma?

In der nächsten Zeit war wesentlich viel mehr Bewegung bei uns im Büro, da alle meinten, sie müßten plötzlich unglaublich oft Kopien machen oder sonst etwas. Natürlich „zufällig“ immer gerade dann, wenn Magda gerade wieder einen Brief bekommen hatte. Manchmal gab es einen richtigen Auflauf hinter ihrem Platz. Und glauben Sie mir: es sieht mehr als lächerlich aus, wenn ein ganzer Pulk Frauen plötzlich völlig unschuldig in der Gegend herumguckt, als könnten sie kein Wässerchen trüben. All dies half indessen nichts, da Magda immer darauf achtete, daß niemand außer ihr in diese Briefe hineinschauen konnte und sie anschließend sofort in ihrem Schreibtisch einschloß.

Meinen „lieben“ Kolleginnen blieb also nichts anderes übrig, als sich mit Magda „anzufreunden“, wenn sie mehr herausbekommen wollten. Und siehe da: Von nun an war Magda immer wieder in diverse Gespräche mit ihren Kolleginnen vertieft, die es ja alle soooooo bedauerten, daß man bisher so gar nichts miteinander zu tun hatte. Jaja, ich muß ja zugeben: so ein klein wenig mitgemischt habe ich da auch. Bitte mir das zu verzeihen. Heute würde ich das sicher nicht mehr tun.
Aber ein wenig mehr Abstand hatte ich schon, denke ich.
Zumindest schien es mir, als hätte Magda nun auch nicht mehr ganz so „unaufällige“ Kleidung an und insgesamt wirkte sie frischer. Was die anderen wiederum nicht wirklich zu bemerken schienen.

Irgendwann fing sie dann an, Parfüm zu benutzen. Was dann allen auffiel. Desweiteren bekam sie ein intensives Strahlen in den Augen, wenn der Postbote sich ankündigte. Welches um so mehr erlosch, wenn er keinen „persönlichen“ Brief für sie dabei hatte. Und in ein regelrechtes Feuer überging, wenn er einen hatte.

Kurzum: Magda blühte regelrecht auf. Ihr Leuchten wurde immer heller. Nun war sie der Mittelpunkt, während alles andere um sie herum „grauer“ zu werden schien. Jeder wollte an ihrem Leuchten teilhaben. Also versuchten wir alles mögliche, um in ihrer Nähe zu sein, wenn die Briefe kamen.

So nach und nach kam ein Puzzleteilchen zum anderen: Die Briefe waren immer mit irgendwelchen netten Kleinigkeiten verziert (Herzchen, kleine Bildchen etc.), die Handschrift war sehr angenehm anzuschauen und die Schreiben rochen nach Rosenwasser oder dezentem männlichen Parfüm.

Irgendwann einmal vergaß Magda, einen Brief in ihren Schreibtisch einzuschließen. Vorwitzig lugte er unter einem Haufen mit Arbeitspapieren hervor. Unschuldig und doch mit einer derartigen Anziehungskraft, daß der gesamte Raum um ihn herum zu knistern schien. Nach einigen wenigen „Anstandsmomenten“ saß alles, was noch im Büro anwesend war, um Magdas Schreibtisch herum und las diesen Brief:

„Liebe Magda!

Die Zeit, die ich bisher mit Dir verbringen durfte, war die schönste meines Lebens! Und ich bin sehr froh darüber, daß Dein Empfinden dem meinen sehr ähnlich ist. Irgendwie scheinen also die vielen kleinen Entscheidungen unseres Daseins doch ihren Sinn gehabt zu haben. Wäre nur eine einzige meines Lebens anders ausgefallen, wären wir uns möglicherweise nie begegnet. Auch wenn man Verlust letzlich erst wirklich beurteilen kann, wenn man ihn erlitten hat: diesen hätte ich gespürt! Dessen bin ich sicher. Mein Leben lang hätte ich zurückgeschaut und mich gefragt, an welcher Stelle ich die Abfahrt verpaßt habe. Durch Dich habe ich gelernt, die Farben des Lebens zu erkennen. All die Pracht, die uns umgibt, und die wir doch im Normalfall nicht sehen, da wir mehr mit uns beschäftigt sind als mit den schönen Dingen des Lebens. Du bist die schönste Farbe von allen, denn in Dir liegt die Erkenntnis!

In Liebe
Bernd“

Pause.
Anschließend heulte das ganze Büro über eine halbe Stunde lang. Einige Tropfen erreichten auch den Brief, was Magda am nächsten Tag jedoch nicht zu bemerken schien. Vielleicht hatte sie selbst dabei schon die eine oder andere Träne vergossen.

Was freuten wir uns für Magda! Das es etwas so schönes noch gab... Und einer von uns war es widerfahren.

Die nächsten Tage wurden allerdings sehr schwer. Jede wollte Magda sagen, das sie sich mit ihr freute. Was natürlich nicht ging, da ja offiziell niemand etwas davon wußte.

Aber nach einer Weile ging es dann wieder. Es wurde ein wenig ruhiger um Magda (da das „Geheimnis“ ja nun gelüftet war), aber jeder war weiterhin nett zu ihr und sie wurde Teil unserer kleinen Gesellschaft. Das Strahlen in ihren Augen blieb, auch wenn die Briefe seltener wurden. Und wenn es einer von uns mal nicht so gut ging, schwelgten wir in dem Glück, welches Magda uns vorlebte.

Dummerweise bemerke ich, wie mich die Zeilen meines Ex-Freundes wieder in Beschlag nehmen und der Rest der Geschehnisse um Magda zieht im Zeitraffertempo an mir vorüber.

Eines Tages mußte ich spät abends noch einmal ins Büro, da ich eine Sitzung für den nächsten Tag vorbereiten mußte. Beim Eintreten staunte ich nicht schlecht, als ich merkte, daß das Licht brannte. Und Magda an ihrem Schreibtisch saß und schrieb. Mit der Hand. In dem Moment fiel mir auf, daß eigentlich niemand von uns wußte, wie Magdas Handschrift aussah, da bei uns im Büro alles über Computer abgewickelt wird.
Als Magda mich bemerkte, bekam sie einen hochroten Kopf und machte den Versuch, das Geschriebene zu verstecken. Besann sich dann aber eines anderen und schaute nur betreten zu Boden.
Beim Nähertreten lag auf ihrem Schreibtisch ein halb vollendeter Brief. In der Handschrift ihres „Verehrers“, auf „seinem“ Papier und mit „seinem“ Duft. Magda versuchte gar nicht erst, irgendetwas zu erklären, sondern schaute mich nur mit großen, dunklen Rehaugen an und wartete auf ihre Hinrichtung.
Ich mußte erst mal selber mit der Situation klarkommen und bat sie, dort solange sitzenzubleiben, bis ich mit meinen Vorbereitungen für die Sitzung fertig wäre. Was sie auch tat. Ich glaube, sie hat in der Zeit nicht einmal geatmet.

Die Gedanken schossen mir durch den Kopf: „Warum hatten wir nie etwas bemerkt? Wie konnte es dahin kommen? Warum hatte sie etwas derartiges getan?“ Meine Gefühle schwankten zwischen Mitleid und Wut. Am Ende rang ich mich dazu durch, mit ihr darüber zu reden. Wir gingen also zu mir (sie trottete gehorsam wie ein Schaf hinter mir her) und redeten. So nach und nach taute sie auf und erzählte von ihrer Kindheit und von all den anderen Problemen, die wir alle irgendwo haben und hatten, aber jeder anders verarbeitet haben.

Bei ihr führten all diese Dinge in eine Art innere Isolation. Als sie dann sah, daß alle um sie herum „ihr Leben hatten“, wie sie sagte, begann sie sich ihren kleinen Prinzen selber zu erschaffen. Sie wußte irgendwann, daß es „falsch“ war, hatte aber gleichzeitig Gefallen daran gefunden, von uns wahrgenommen zu werden, so daß sie nicht wieder aufhören konnte. Im Grunde genommen, sagte sie, wollte sie irgendwann ertappt werden, um mit der Geschichte abzuschließen. Daher auch das Schreiben im Büro.

Die Nacht wurde noch sehr lang und es sollte nicht die letzte gewesen sein. Magda kündigte und suchte sich eine neue Stelle. Wir wurden richtige Freundinnen, bis sie vor ein paar Jahren in eine andere Stadt zog. Sie kam nun besser mit der Welt zurecht: In all der Zeit, in der sich diese Geschichte zugetragen hatte, war ihr Selbstvertrauen gewachsen, da sie lernte, mit sich und ihrer Umwelt klarzukommen. Von daher hatte das alles doch so sein Gutes.

Und wir schwelgen immer noch ab und zu in Magdas Glück (ich habe meinen Kolleginnen nie von dieser Geschichte erzählt).

Wenn dieser Brief, den ich blödsinnigerweise immer noch in der Hand halte, von Magda wäre, würde ich mich freuen...

2003 by Himmelssurfer
03.08.2004

auch auf Ciao veröffentlicht

----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2004-10-11 21:37:50 mit dem Titel Spaziergang im Herbst

Spaziergang im Herbst

Endlich einmal hatte er sich aufgerafft und seine vertrauten vier Wände verlassen, um einen Spaziergang zu machen. Schon ewig hatte er das vor sich hergeschoben.
Im Grunde genommen wußte er nur zu gut, wie wichtig es war, jeden Tag hinaus zu gehen und seinem Körper die Entspannung zu geben, die regelmäßige Bewegung hervorbrachte. Doch meist siegte in diesem Punkt die Lethargie des Alltags. Heute jedoch sollte ihm das nicht passieren. Und als er die langen Finger des Vorsichhindämmerns wieder nach sich greifen fühlte, machte er sich auf den Weg...

Auf den Weg zum See, der ganz in seiner Nähe lag. Der See war ein beliebtes Ziel für Jogger und Spaziergänger und eigentlich immer gut besucht. Trotzdem mußte man nicht das Gefühl haben, nur einer unter vielen zu sein.
Schnell hatte er die ersten Meter hinter sich gebracht, voller Freude, daß er den Schritt nach draußen gewagt hatte. Immer nur die Sonne von drinnen zu betrachten bereitete einfach viel weniger Freude.

Dunkel und geheimnisvoll lag der See vor ihm. Das Wasser kräuselte sich ganz vorsichtig unter den sanften Berührungen des Windes, der über ihn dahinstrich. Ein wohliges Erschauern schien den See zu erfüllen, so wie es die Berührungen unter Liebenden hervorzurufen vermag.
Das diesseitige Ufer lag in einer kühlen Dämmerung gehüllt und schaute neidisch auf die andere Seite, wo die Sonne die unter ihr liegende Welt in ein gänzlich davon unterschiedliches Licht hüllte. Ein paar einsame Angler haben sich die Stille ausgesucht, um ihre Ruten auszuwerfen. Die Wiesen sind endlich einmal komplett vom Müll befreit, die Badezeit ist längst vorbei.

Es herrscht eine wundervolle Harmonie zwischen kalter, reiner Luft und der angenehmen Färbung des Lichts. Fühlt sich der Körper genötigt zu frieren, so heizt ihn die Wärme der Seele wieder auf.

Eine Gruppe Jogger zieht an ihm vorbei, fröhlich plaudernd und menschliche Wärme und Nähe demonstrierend. Die äußeren Widerstände können ihnen nichts anhaben. Auch die anderen Begegnungen sind durchaus angenehm. Obwohl viele alleine unterwegs sind, wirken sie nicht abweisend. Allenfalls in sich gekehrt.
Alleine (unterwegs) sein ist noch lange keine Einsamkeit. Auch im Herbst des Lebens nicht. Es gibt viel mehr Einsame in der Menge als es allein lebende Einsame gibt...

Auf das in der Sonne liegende Ufer blickend, saugt er die malerische Kulisse in sich auf. Vereinzelt schaukeln auf dem See ein paar Enten vor sich hin, die Terasse des Seerestaurants ist aufgrund der Temperaturen nahezu leer. Ein paar Kirchtürme ragen über die majestätisch aufragenden Bäume hinweg, die allmählich beginnen, sich mit roten und goldenen Gewändern zu schmücken. Sie ziehen ihre Festkleider an, um sich damit gebührend vom bisher vergangenen Jahr zu verabschieden.

Der Boden wiederum deckt sich langsam mit Blättern zu, um sich auf den Winter vorzubereiten.

Das Knarzen der Bäume im Wind, leises Stimmengewirr. Ansonsten: Stille.
Einzelne Punkte der Begegnung wehen zu ihm herüber. So klein und so weit weg und doch spürt er die Nähe der Menschen, die sich dort vor seinen Augen sehen können, berühren und miteinander sprechen.

Langsam umrundet er, voller Gedanken, den See und tritt ein in das goldene Licht des Herbstes. Das Licht, welches er vom anderen Ufer bereits sehen und erahnen konnte. Nun jedoch kann er es fühlen. Dieses wundervolle, alles in einen Goldton tauchende, Licht. Selbst jetzt noch vermag die Sonne eine intensive Wärme auszustrahlen. In diesem Fall eine Wärme, die direkt nach innen vordringt.

Er setzt sich auf eine Bank und schließt die Augen. Läßt sich von der Wärme und dem Licht durchdringen, die ihn die Anstrengungen des Alltags vergessen lassen. Genießt das Licht, die Geräusche von ruhigen Schritten, leichtes Stimmengewirr, ein Summen entfernter Autos und die Stille, die trotzdem über allem liegt.

Der Bootssteg, der direkt vor ihm ins Wasser hineinragt, spiegelt sich auf der sanft gekräuselten Oberfläche, das knarzende Tröten der Bläßhühner durchdringt die Luft.
Erinnerungen an geschehene und erhoffte Dinge durchdringen seine Gedanken und geben ihm längst verloren gegangen geglaubte Hoffnungen zurück.

Als er sich schließlich wieder auf den Heimweg macht, läuten gerade die Kirchenglocken den Rest des Abends ein. Eines Abends, der vielleicht einmal anders enden mag als so viele andere. Bewußter, Ruhiger, Zufriedener, Erfüllter...

So kann eine kurze Spanne des Lebens für lang anhaltende Wärme sorgen.
Genau so wie ein Lächeln das Herz erwärmt...

11.10.2004
by Himmelssurfer


----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2005-06-04 19:11:00 mit dem Titel Der Seele Wanderung

Es war einmal ...

Es war einmal eine kleine Seele.
Diese wandelte voller Freude im Universum des Lichts zwischen den einzelnen Sphären hin und her.
Es gab dort die Sphäre der Glückseligkeit, der Zufriedenheit, des Wissens, der Liebe, des Lebens und viele andere. All diese Sphären enthielten die Quint-Essenz des Gebietes der persönlichen Entwicklung, für das sie standen. Die kleine Seele durfte die Sphären noch nicht betreten, dazu war sie noch lange nicht weit genug, aber alleine das Vorbeigleiten an einer solchen Sphäre erzeugte einen solch hohen Grad der Berührtheit, das es mit Worten nicht zu beschreiben war. All diese Eindrücke versuchte sie in sich aufzusaugen, da sie wußte, daß sie früher oder später diese Welt wieder verlassen mußte, um sich neuen Aufgaben zu widmen. In dem Fall wollte sie versuchen, soviele Erinnerungen wie möglich mit „hinüber“ zu nehmen. So glitt sie unentwegt zwischen den Sphären hin und her, nicht wissend, wann ihre Abberufung erfolgen würde.

Daß sie überhaupt hier sein durfte, verdankte sie ihrem Erstbesitzer, der sich als Glücksfall erwiesen hatte. Wäre er nicht gewesen, hätte sie von alldem hier höchstens gehört, aber niemals in der Nähe der Sphären sein dürfen.

Ihr Erstbesitzer war ein militärischer Stratege auf einem kleinen Planeten gewesen, denn seine Bewohner „Erde“ nannten. Nun, im Gegensatz zu der Masse an bewohnten Planeten des physikalischen Universums war die Erde ziemlich unbedeutend. Die Bewohner kannten weder Anstand, noch Ehre, oder das Wissen, sich Frieden und Anerkennung zu erarbeiten. Schon gar nicht in der frühen „Epoche“ dieses Planeten, in der sie gelandet war. Deswegen war ihr erstes Gefühl auch eine schwere Enttäuschung. Warum hatte man ausgerechnet sie auf diesen rückständigen Planeten geschickt?! Es gab doch so viele andere...

Nun, sie lernte, das man die Masse von Bewohnern eines Planeten nicht „über einen Kamm scheren“ konnte, wie die Menschen das nannten. Es gab immer Individuen, denen man Aufmerksamkeit zollen sollte und die sich von ihren Artgenossen abhoben. Oft wurden diese Ausnahmen von ihrer Umwelt, ihren Artgenossen angegriffen und zuweilen sogar vernichtet, da sie große Unruhe unter sie zu bringen vermochten. Und Unruhe mag die Masse gar nicht. Es sei denn, sie verursacht sie selbst. Was den Herdentrieb anbelangt, der ist Planetenunabhängig. Vor diesem Phänomen ist nahezu keine Gesellschaft(sform) gefeit. Sie lernte also schnell, daß es durchaus noch Seelen gab, die es schlechter getroffen hatten als sie.

Das Schweben durch die Kraft der Sphären bereitete ihr bei diesem Gedanken noch größeres Wohlbehagen als ohnehin schon, da sie sich des Privilegs sehr bewußt war, welches sie damit genoß.

Sie hatte auch das Gegenteil dessen erfahren. Wesenheiten, seien es nun Menschen oder andere, hatten allzu oft die zweifelhafte Gabe, all diese Inhalte der Sphären in ihr Gegenteil zu verkehren. Sie verzehrten sich nahezu darin, in Unzufriedenheit, Hass und Todessehnsucht zu leben; und auch ihre Artgenossen darin anzustacheln. Ein ganz besonderes Phänomen dabei war, daß es immer Wesen gab, die andere mit Absicht dumm hielten, um sie dann zu „führen“ und selber als schlauer dazustehen. Der Begriff der „Macht“ war ihr vor ihrem ersten Einsatz nie über den Weg gelaufen. Eine reine Seele kannte diese Darstellungsform gar nicht.

Vor ihrem ersten Einsatz war sie noch nie hier gewesen. Genau genommen war sie sich erst innerhalb ihres Erstbesitzers bewußt geworden, daß sie überhaupt existierte. Sie war sich ihrer selbst bewußt geworden. Sie hatte den Sinn ihres DaSeins auf Anhieb verstanden; und verzweifelt gehofft, es möge ein Irrtum sein. Was hatte es für einen Zweck, diese primitiven Kreaturen anzuleiten, so etwas wie kosmisches Bewußtsein zu entwickeln? Diesen Wesen, denen in erster Linie daran gelegen war, sich selber zu vernichten, indem sie andere unterdrückten?! Aber wie bereits gesagt, hatte sie Glück gehabt. Auch wenn ihr Erstbesitzer in der Anfangszeit das Verhalten seiner Umwelt übernahm, war er doch etwas besonderes. Zu einem Zeitpunkt, als Artgenossen von ihm seine Familie und seinen Stamm vehement unterdrückten und ihnen die komischen Gesetze dieser Welt aufzudrücken versuchten, änderte er seine Gesinnung und lernte ab dem Zeitpunkt, den Pfad der „Besserwerdung“ zu erkennen und zu beschreiten. Er übte sich in Philosophie und Humanismus (beschreibt den positiven Umgang von Wesenheiten untereinander). In Anteilnahme und Weitergabe der Liebe, die er in sich spürte. Und er suchte nach Wegen, wie er, mit den Mitteln dieser Welt zwar, jedoch einem höheren Zweck untergeordnet, das Joch der Selbstzerstörung aufhalten konnte.

Nun, wie sie inzwischen wußte, hatte das Ergebnis lediglich zu einer Phase des Friedens geführt, aber gleichzeitig durfte sie erkennen, wie wichtig auch diese Phasen für das einzelne Wesen war. Jeder noch so kleine Ruheraum, den Wesen einer Seele schaffen konnten, war wichtig für deren Entwicklung.

Später dann scharte ihr Erstbesitzer Freunde um sich, die er von seinen gedanklichen Ergebnissen überzeugen konnte. Er rüstete eine große Streitmacht aus mit Waffen, Liebe und Erkenntnis. Mit dieser Streitmacht schließlich zog er hinaus „in die Welt“ und ließ sie alles (zer)schlagen, was die Ruheräume der Seelen behinderte. Er hatte so großen Erfolg, daß ein ganzer Landstrich schließlich ihm zugesprochen wurde, auf daß er seine Seelenruhe dort verkünden konnte. Und auch nachdem er als Herrscher eingesetzt war, verlor er nie seine Weiterentwicklung aus den Augen. Auch im Kleinen setzte er sich für seine Artgenossen ein. Seine Handlungsweisen entsprachen nicht seinem eigenen Bestreben, sondern dem, was seinem „Volk“ (so nennt man die Masse der Wesenheiten auf der Erde, die einem einzigen Herrscher unterstehen) am wohlsten tat. Auch wenn er gewisse Dinge für gut befand, setzte er nur das durch, was das Volk auch verstand. Denn Überforderung des Einzelnen hätte unweigerlich wieder zu den Zuständen geführt, die vor seiner Herrschaft geherrscht hatten. Obwohl es auch gewisse Entscheidungen gab, die er treffen mußte, *obwohl* das Volk sie nicht verstand, es aber das Beste für sie war. Das beste Beispiel dafür war, ihnen den Glauben zu geben, die Religion aber zu verbieten. Glauben war individuell erfahrbar. Religion wiederum von Menschenhand aufbereitet, um die Artgenossen zu unterdrücken. Ein Großteil der Negationen der Sphären, die auf Welten entstehen können, stammen aus dieser unsäglichen Unsitte, Religion zu gründen. Das Ausüben von Macht unter einem Vorzeichen der individuellen Freiheit. Die propagierte Freiheit, welche in die Abhängigkeit (von Artgenossen) führt. Seelenheil und Religion passte einfach nicht zusammen. Auf dieser Welt nicht und auch auf anderen nicht. Auch wenn die „Glaubenssätze“ und die Kleidung jeweils andere waren, die falsche Ausrichtung blieb.

All dies erkannte ihr Erstbesitzer und verhinderte diese Zustände, so gut er konnte. Die Entwicklung seiner Seele, also ihre eigene Entwicklung, nahm große Schritte an und alles schien gut. Aber die nächste Erkenntnis, die sie, im wahrsten Sinne des Wortes, „traf“, war die, das es immer Wesen gab, die den Fortschritt der Seele mit allen Mitteln aufhalten wollten. Aus der irrigen Annahme heraus, daß es sie persönlich weiterbringen würde. Und wenn da meine kleinen Geschwister nicht entsprechend eingreifen können, führt dies unweigerlich dazu, das die Entwicklung des Wichtigen abrupt gebremst wird. So geschah es auch meinem Erstbesitzer. In einem Moment der Unachtsamkeit „entsorgten“ ihn seine Artgenossen; und damit die Zeit des Seelenheils. Bis wieder jemand aufsteht, um dafür zu kämpfen. Aber der Weg der Erkenntnis ist hart und ungerecht. Jeder, der Gutes will, ist seinen Artgenossen ein Feind.

Das Seelenheil auf jedem Planeten ist schwer erkämpft. Viele der kleinen Seelen kehrten von solchen Einsätzen mit Narben im Geiste zurück. Diese verschwinden zu lassen war ihr höchstes Ziel. Und dementsprechend waren ihre Bemühungen, einen neuen Auftrag zu erhalten.

Sie jedenfalls freute sich, schon im ersten Einsatz solch ein Glück gehabt zu haben. Sie durfte die Sphären bereits kosten, wenn auch nur ansatzweise.

Sie schwebte weiterhin durch die einzelnen Sphärenbereiche, als sich vor ihr ein großer breiter Tunnel öffnete. Dieser Tunnel war dunkel, jedoch schien am Ende ein sehr großes, helles Licht auf sie zu warten. Ein Licht, welches sie magisch anzog. Sie hatte unweigerlich das Bedürfnis, diesen Tunnel zu betreten. Einfach nur, um das Licht am Ende zu sehen.
Nachdem sie eine Weile in diesen Tunnel geschaut hatte, hatte sie das unbegreifliche Gefühl, daß am Ende dieses Tunnels ihre Bestimmung auf sie warten würde. Ihr persönliches Maß an Glück, an Entwicklung. Schließlich überlagerte der Sog des Tunnels die Ausstrahlung der Sphären und sie betrat den Tunnel, um sich seinem Ende entgegentreiben zu lassen.

Die Schwester durchtrennte die Nabelschnur und übergab das schreiende Kind der überglücklichen Mutter. Diese flüsterte bloß: „Möge es Dir wohlergehen in dieser Welt, mein Sohn!“

20.01.2004
by Himmelssurfer

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