Sexualität Allgemein Testbericht

Also die, die es noch nicht gepeilt haben: ich bin Schwul, ein warmer Bruder, eine Schwester, Fernwärme auf Beinen, wobei das noch die netten Bezeichnungen sind. Aber irgendwie gewöhnt man sich dran, denn nur allzu oft entstehen diese Titulierungen aus Unwissenheit oder einfach nur aus Scham.

Daher will ich mal so ein wenig mit den Vorurteilen aufräumen und das Wissen etwas erweitern. Ach ja, manchmal etwas Selbstironie dabei!

1. Schwulsein ist eine Entscheidung: nö, also entschieden hab ich das nicht, es war einfach so, dass ich während meiner Pubertät irgendwann Jungs sehr viel geiler fand, als Mädchen. Klar das ich damit am Anfang so meine Probleme hatte und wie viele Rat bei anderen holte. Ich bin zu einer Psychologin gegangen, die mich über mein Sein aufklärte und mir den Mut gab, mit meinem Leben klar zu kommen. Heute, als erwachsener Schwuler, ich schlitter auf die 40 zu, helfe ich jungen Schwulen um mit dem Leben klar zu kommen und zu akzeptieren was sie sind.
2. Homosexualität kann man behandeln: In den USA soll es ja einen Arzt geben, der einem die Homosexualität austreiben kann. Er hat auch einen Schwulen geheilt, der jetzt glücklich verheiratet ist und Kinder hat.
Naja, glauben kann ich das irgendwie nicht, denn auch ich habe mal den Fehler gemacht eine Frau zu ehelichen, aber glücklich war ich eigentlich nicht. Schwul war ich trotzdem. Demnach kann man das auch nicht wegheilen. Das ist in einem drin, da ist nichts zu behandeln.
3. Schwule benehmen sich wie Frauen: Klar, ich zieh mir auch jeden Morgen den Fummel an, schminke mich und stöckel dann zur Arbeit, wo ich aus dem "Huch"- und "Hach"-Sagen nicht mehr rauskomme. Ha ha, sicher nicht. Also ich bin äußerlich wie auch innerlich ein Mann. Ich zieh mir keine Frauenkleider an und schminke mich auch nicht (mehr). Also da muß ich ein wenig ausholen: es gibt Schwule, die wirken etwas weiblich, die nennen wir Tucken. Tucken sind Männer, die eigentlich Frauen werden sollen, aber irgenwo während der Schwangerschaft ihrer Mutter, wurde entschieden, von wem auch immer:"Och, wird doch ein Junge". Da war es aber schon zu spät, denn innerlich waren diese Jungs dann schon Mädchen. Irgendwie so stell ich mir das vor. Tucken sind merkwürdig, reden auch etwas komisch, irgendwie so wie eine Frau mit abgebrochenem Stimmbruch. Und das obligatorische "Huch" fehlt auch nicht.
4. Schwule können nicht mit Frauen: "Können" ist die falsche Bezeichnung. Eher "wollen" nicht mit Frauen. Ich kann auch mit einer Frau ins Bett gehen, habe da aber nicht den Spaß und es fehlt auch das Gefühl. Aber wenn ich will, kann ich.
Mit meiner letzten "Gaby" bin ich oft zum reden und Weintrinken ins Bett gegangen, aber "passiert" ist da nix. (Gabys sind Frauen mit denen wir reden).
5. Schwule stehen nur auf Analverkehr: Einige ja, aber nicht alle. Analverkehr (AV) ist für sehr viele nicht die Krönung der Sexualität. Im Allgemeinen praktizieren nur 4% aller Schwulen AV. Ich muß ja zugeben, daß ich mich zu diesen 4% zähle. Jedoch auch Heten stehen drauf, und die sind dann nicht automatsich schwul oder lesbisch. Männer stehen drauf, weil dabei ihre Prostata gereizt oder besser gekitzelt wird und das ist ein echt geiles Gefühl!
6. Schwule erkennt man daran wie sie gehen: ich kann sehr wohl sehen, ob ein Mann schwul ist oder nicht. Die Trefferquote liegt bei annähernd 90%! Aber ich seh das weniger daran wie sie gehen. Das sieht man wie sie sich kleiden, an Schmuck, obwohl das unter Heten aufgekommende Gerücht, Schwule erkenne man am Ohrring rechts, so doof ist, das es schon hinkt. Dann müßten ja Zimmerleute und Piraten alle durch die Bank schwul sein. Also am Gang erkennt man das jedenfalls nicht. Es gibt auch versteckte Zeichen, achtet doch mal auf Autos! Ja, manche Schwule (und auch Lesben) kleben an ihr Auto, immer rechts, ein Erkennungszeichen: die Rainbowflagge. Daran erkennen wir uns. Ich hab auch so ein Teil auf dem Rucksack kleben.
7. In einer Schwulenbeziehung gibt es einen männlichen und einen weiblichen Part: Genau! In meiner Beziehung steht man Freund am Herd mit einer Rüschenschürze und kocht und ich sitze mit ner Flasche Bier und im Feinrippunterhemd auf dem Sofa. Natürlich nicht! In einer schwulen Beziehung leben zwei Männer zusammen. Keiner spielt irgend eine Rolle. So wie auch in einer lesbischen Beziehung zwei Frauen zusammen Leben.
8. Schwule sind in unserer Gesellschaft mittlerweile akzeptiert: Nein, sind wir nicht. Daran ändert auch der Partnerschaftgesetz nichts. Ist sowieso dünnsinn. Wer es will soll es machen, ich will nicht. Aber die Akzeptanz bewegt sich in Deutschland auf einem niedriegen Level. Die "Schwule Sau" wird mir fast so oft hinterher gerufen wie das obligatorische "Moin". Oft hinter vorgehaltener Hand oder man zeigt mit dem Finger auf mich. Frei nach:"Guck mal da, der ist schwul!" Da kann man ja gleich sagen:"Guck mal da, der hat bestimmt AIDS! Fass den bloss nicht an!". Schlimm ist es in den Provinznestern, wo so ziemlich jeder jeden kennt. Da hat man oft nichts zu lachen. Bei Bekannten von mir, die wohnen auf den Land, wurde schon das Auto in Brand gesteckt, der Hund ermordet und eine Scheibe eingeschlagen. Toll, das die Deutschen so Tollerant sind! Scheinheilig sind sie, mehr nicht.
9. Aber Schwule sind tollerant: Nein, ganz klar NEIN! Oder hättet Ihr gedacht, das in Hamburg eine Schwulenkneipe gibt, die so braun ist, das die Sosse schon gegen die Scheiben klatscht? Unter den Schwulen gibt es mehr Nazis als einem lieb ist! Von meinem Standpunkt aus: mir sind meine Mitmenschen relativ egal. Ich esse beim Türken meinen Döner, beim Italiener meine Pizza, kaufe Lebensmittel im Asiashop und wähle schwarz. Also Durschnittsbürger.
10. Schwule können gut mit Frauen: ...und Frauen gut mit Schwulen. Stimmt und das aus einem einzigen Grund: wir wollen nix von Frauen! Wir baggern sie nicht an, wir flirten wohl mal, aber ganz ohne dem Standardhintergedanken:Wie leg ich die Mieze am schnellsten flach...Das ist so gar nicht mein Fall, nett unterhalten, zusammen Spaß haben und mal einem Mann lange hinterher schauen, das ist ok, aber mehr nicht.
11. Alle schönen Männer sind schwul oder verheiratet: na klasse... ich bin nicht schön, mein Freund denkt das, aber das ist sein Ding. Obwohl: ich hab mich akzeptiert! Es gibt dicke Schwule, behaarte Schwule, dumme Schwule, und was weiß ich noch alles. Schönheit ist relativ. Jeder hat ein anderes Empfinden und das, daß ist auch gut so!
12. Sich outen: Anderen gegenüber klar zu sagen was man ist, nennt man outen. Viele outen sich als Schwule gegenüber ihren Eltern wenn diese all zuoft nach den ersehnten Enkelkindern fragen oder gegenüber ihren Geschwistern und Freunden, weil man immer noch nicht verheiratet ist. Ich für meinen Teil meine, das es allein meine Sache und mein Leben ist. Meine Clanführer brauchen es nicht zu wissen, denn mein alter Herr, er ist immerhin schon 73 Jahre alt, würde der Schlag treffen und meiner Mutter ist mein Leben in diesem Sinne egal. Meine Geschwister wissen es und akzeptieren es, mal mehr mal weniger. Aber das ist mir eh schnurz, denn wie gesagt: es ist mein Leben, nicht ihres!
13. Bi-Sexuelle: Naja...wer so Leben mag, bitte schön. Ich find sie eher ekelich. Am Tag spielen sie den treusorgenden Ehemann und Vater und wenn es dunkel wird, steigen sie in ihre Familienkutsche, erzählen ihrer Frau sie fahren zum Kegeln oder Stammtisch, aber in wirklichkeit fahren sie die Autobahn hoch und runter, steuern die einschlägigen Parkplätze an und machen mit anderen Männern rum. Wenn sie dann irgendwann nach Hause kommen, gehen sie noch mal über die Frau rüber und haben, wenn es schief gelaufen ist vielleicht noch ein tödliches Andenken, HIV, und spielen dann ihrer Frau die große Liebe vor, bis zum nächsten Date... Ne, also ich steh nicht auf Bi's...
14. Aber es gibt tollerante Länder, wie Dänemark: ich hab ein paar Jahre da gewohnt, in Kopenhagen und ich muß leider sagen, daß die Dänen genau so tollerant sind wie die Deutschen. Mal abgesehen davon das die sogenannate "Homoehe" schon ein paar Jahre in Dänemark gang und gäbe ist. Aber als Bösse, so nennt man Schwule in Dänemark, hat man ein genau so gutes wie schlechtes Leben als sei man in Deutschland. Okay, die Szene in Kopenhagen und all den anderen größeren Städten ist etwas freier als hier, aber es haut einen nicht vom Hocker, denn jeden Tag Szene ist auch nicht jedermanns Ding. Mir ist jedoch etwas aufgefallen: die Dänen im Allgemeinen haben gegenüber Minderheiten ein "Scheißegal"-denken. Die Dänen im Allgemeinen, nicht so die Regierung, denn die ist leicht braun angehaucht und macht den Bössen das Leben nicht gerade einfacher. So plante die Regierung ein Gesetz, das Schwulen aus anderen EU-Ländern die Einreise verbieten sollte...irgendwie erinnerte mich das an Schweinepest... Naja, ich schau mal weiter...
15. AIDS ist eine Schwulenkrankheit (oder kommt von den Schwulen): klar, so wie nur Heten Schnupfen bekommen. Es ist richtig, das AIDS zuerst bei den Schwulen auftrat bzw. bekannt wurde. Nur mit dem Haken, das sie nicht an AIDS erkrankten, sondern an HIV und das mittlerweile mehr Heten HIV haben als Schwule. Und, ich hoffe inständig, das jeder und jede weiß, das HIV nicht heilbar ist. Der Grund ist recht einfach zu erklären: Das Virus, das für den Schnupfen verantwortlich ist, "sorgt" dafür, das seine Nachkommen immer genau so gestrickt sind, wie der "Elternvirus" selber. Beim HI-Virus ist es egal. Selbst wenn die Nachkommenschaft anders aussieht als die "Eltern-" Viren, egal, es wird gezeugt was das Zeug hält. Und genau das ist das Problem! Denn bei dem Schnupfenvirus kann man, anhand der Struktur, etwas tun, man kann den Virus bekämpfen. Einen Virus, der sich ständig mutiert, kann man nur schwer oder gar nicht bekämpfen.
Beim HI-Virus wird es da schon komplizierter, auch wenn die Lebenserwartung, dank ausgeklügelter Medikamentenreichug, heute bei bis zu 25 Jahren liegt, denn man kann nur die Symptome bekämpfen, nicht aber das Virus. Demnach meine Bitte: Schützt Euch beim Geschlechtsverkehr. Das gilt besonders für Männer. Ein Präser kostet weniger als das Leben!
16. Klemmschwester oder Schrankschwuchtel: So nennen wir Männer, von denen wir entweder ahnen oder wissen, das sie eigentlich Schwul sind, es aber nicht wahrhaben wollen oder nicht dazu stehen. In meinem Bekanntenkreis kenne ich vier Klemmschwestern, die verheiratet sind, Kinder haben und TOTUNGLÜCKLICH sind. Beim Bierchen in der Kneipe haben sie mich nach Rat gefragt. Aber was soll ich dazu sagen? "Trenn Dich von deiner Frau", währe wohl die falsche Antwort. Daher habe ich nur zugehört und geraten, sich an eine/n Psychologe/Psychologin zu wenden. Ich bin da nicht der ANsprechpartner, kann mir aber ohne Hintergedanken deren Probleme anhören. Manchmal auch schon eine Hilfe.
Ein Kumpel von mir, er war immer der Überzeugung, Bi zu sein, hat sich gerade von seiner Frau scheiden lassen, weil er nicht Bi, sondern doch Schwul ist. Vielleicht für ihn im Moment der richtige Weg, doch ich verfolge immer noch sein Leben und kann sagen, das er nun, geoutet, ein sehr viel schlechteres Leben lebt. Er ist einsam und gibt sich dem Suff hin. Aber: ich denke nicht, das eine Frau es akzeptieren kann, mit einem Mann zusammen zu leben, der letztendlich nicht auf diese steht, sondern auf Männer. Ich kann mir denken was jetzt kommt: Alle Leserinnen werden sagen, das sie das nicht stören würde... Denkt darüber nach und handelt nicht vorschnell: ihr würdet das in der Realität nicht als Euer Lebensziel ansehen.

Ich hoffe Ihr habt was gelernt. Wenn nicht, auch gut ;-)