Tiger & Dragon (VHS) Testbericht

Tiger-dragon-vhs-fantasyfilm
ab 78,60
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Erfahrungsbericht von suppengirl

Die Überwindung der Schwerkraft

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

"Cineasten schmähen den Martial-Arts-Film oft als Prügelstreifen." So beginnt die Filmbesprechung zu "Tiger and Dragon" in der Kino-Zeitschrift Cinema (Ausgabe 1/01), die diese Ansicht scheinbar wiederlegen will, indem sie dieses "Eastern"-Werk hoch lobt und mit der Höchstwertung entlohnt.

Ich weiß nicht, ob ich mich selbst wirklich als Cineast bezeichnen würde (naja, eigentlich tue ich es, aber ich traue mich selten, es laut auszusprechen; dieser Ausdruck klingt mir irgendwie zu hochtrabend und ich möchte mir mit einer derartigen Klassifizierung meiner Person nicht die Möglichkeit verbauen, trotzdem Filme wie "Erkan und Stefan" gut zu finden ;o)). Irgendwie hat mich der Cinema-Artikel und im Speziellen dieser Beginn angesprochen, denn tatsächlich bin ich alles andere als ein Fan des Genres "Martial Art". Bei genauerer Überlegung musste ich mir allerdings eingestehen, dass sich meine Kenntnisse darüber auf frühe Jackie-Chan-Werke beschränken. Auf dieser Basis alle Filme, die sich irgendwie in besagte Kategorie einordnen lassen, über einen Kamm zu scheren, ist sicher nicht ganz fair.

Diese Überlegungen waren ein Grund, dass ich es nicht von Anfang an vollkommen ausgeschlossen habe, mir bei Gelegenheit "Tiger and Dragon" anzusehen. Der andere Grund war, dass ich an einem Samstag noch so sehr vom Freitag ge- oder beschädigt war ;o), dass ich mir nichts mehr ersehnte, als einen Abend im gemütlichen Kinosessel, ohne reden oder mich bewegen zu müssen. Aber das ist eine andere Geschichte. ;o)

Nach gewohnt langer Vorrede (Suppi ist ein oller Quatschkopf!), nun aber endlich zum Film.


Story
*****

Es wird schwierig sein, die vielschichtige und eigentlich doch geradlinige Geschichte des Films in klare Worte zu fassen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Da ich nicht zu viel verraten will, wird dieser Teil ziemlich kurz (und hoffentlich nicht zu verwirrend!) ausfallen.

Der berühmte Krieger Li Mu Bai (Chow Yun-Fat) will sein Dasein als Gesetzesfreier beenden und endlich ein normales Leben führen. Deshalb will er sein mysthisches Schwert, das 400 Jahre alt ist und dem magische Kräfte nachgesagt werden - einem Vertrauten schenken. Doch das Schwert wird gestohlen und er und seine enge Freundin Yu Shue Lien (Michelle Yeoh), die ebenfalls in die Kampfkünste eingeweiht ist - versuchen, das Schwert wiederzufinden, bzw. die Motive des Diebes zu ergründen.

Mehr oder weniger mit diesem Erzählstrang verknüpft erfahren wir vom Schicksal der jungen Jen Yu (Zhang Ziyi), einer Tochter aus gutem Hause, die ihrem vorbestimmten Schicksal einer von den Eltern verabredeten Hochzeit und eines folgenden langweiligen Lebens entfliehen will. Dabei weiß sie nicht immer gut von böse zu unterscheiden und es bleibt bis zum Ende offen, ob sie den richtigen Weg finden wird.

Verwirrt? Das macht nichts, das bin ich bis heute. Es ist nicht wirklich so, dass die Story von "Tiger and Dragon" so verwirrend ist, das man ihr nicht folgen könnte. Vielmehr erscheint sie in vielen Teilen so bedeutungsschwanger und ist in derart schönen Bildern umgesetzt, dass man sich permanent nach dem tieferen Sinn der Erzählung frägt. Ob es wirklich einen gibt - ich weiß es nicht. Vielleicht ist die Geschichte selbst dieser tiefere Sinn. Vielleicht aber sind mir Filme dieser Art einfach noch so fremd, dass ich die erzeugten Wahrnehmungen und Eindrücke nicht einordnen kann.



Darsteller
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Chow Yun-Fat und Michelle Yeoh sind in ihrer Heimat nicht nur Superstars, sondern wohl auch so etwas wie ein Traumpaar, die schon häufig gemeinsam gedreht haben. Ich kenne leider bisher keiner weiteren Filme der Beiden, aber in "Tiger and Dragon" vermitteln sie sehr realitätsnah das Gefühl der Seelenverbundenheit, der Vertrautheit, der Liebe auf geistiger Ebene. Obwohl es zwischen den beiden kaum Körperkontakt, und nur ganz wenige zaghafte Berührungen gibt, spürt man, wie sehr beide unter der selbst auferlegten Bürde des Verzichts aufeinander leiden. Li Mu Bai hat sich zwar dazu entschlossen, sein asketisches Leben als Krieger aufzugeben, aber die neue - letzte! - Aufgabe, die den beiden gestellt wird, muss erledigt werden, bevor in ihr Leben endlich Ruhe und Zufriedenheit einkehren kann. Ehre und ein gewisser - überraschend unaufdringlicher! - Pathos sind die beiden Merkmale, die Chow Yun-Fat und Michelle Yeoh perfekt verkörpern.
Beeindruckend auch die Darstellung der jungen Zhang Ziyi. Sie drückt die drei Gesichter der Jen Yu - pflichterfüllte Tochter, rebellierende und selbstbewusste junge Frau und von der möglichen Macht (gut oder böse) und eigenen Stärke faszinierte Kämpferin - durch differenzierte Mimik, Gestik und Sprache so unterschiedlich aus, dass man tatsächlich lange zweifelt, ob es sich um die gleiche Person handeln kann (zumal wenn man als Europäer mit eingeschränktem Horizont sowieso Probleme damit hat, asiatische Gesichter zu unterscheiden; traurig aber wahr!).


Regisseur
********

Ang Lee ist einer der wenigen asiatischen Filmemacher, die sich auch im Westen profilieren konnten, auch wenn sein Bekanntheitsgrad erst durch im Westen produzierte Filme wirklich angewachsen ist. Auch ich - minderbemittelte "Cineastin", die ich bin - kannte bisher nur die Ang Lee-Filme "Sinn und Sinnlichkeit" (übrigens eine der dümmsten deutschen Titelübersetzungen aller Zeiten!) und "Der Eissturm". Da ich aber zumindest inhaltlich über "Das Hochzeitsbankett" und "Eat Drink Man Woman" informiert bin, glaube ich doch beurteilen zu können, wie vielseitig Ang Lees Schaffenswerk ist. Er scheut sich nicht davor, verschiedenste Kulturen zu beleuchten, schafft es sowohl englische Literaturklassiker (Jane Austens "Sense and Sensibility") als auch Stimmungsbilder einer bestimmten Ära (USA, Anfang der 70er Jahre in "Der Eissturm") so umzusetzen, dass der Zuschauer nie auf den Gedanken käme, dass der Regisseur eigentlich aus einer ganz anderen Kultur stammt. Das zeugt von einer überwältigenden und beeindruckenden Gabe des Hineinversetzens. Trotzdem kehrt er immer wieder zu seinen asiatischen Wurzeln zurück. Mehr oder weniger gleichzeitig kam übrigens "Ride with the Devil" von Ang Lee in die deutschen Kinos - Kontrastprogramm pur, handelt es sich hierbei doch um ein Epos über den amerikanischen Bürgerkrieg (das von der Kritik allerdings nicht so wohlwollend aufgenommen wurde wie die meisten Filme von Ang Lee).


Umsetzung
*********

Ohne Frage ist "Tiger and Dragon" ein bildgewaltiges, zum Einen ruhiges und mystisches, zum Anderen aber actiongeladenes Kampfepos. Die Ausstattung ist perfekt (soweit ich das beurteilen kann), die Landschaftsaufnahmen sind überwältigend. Ganz nebenbei entfaltet sich dem ungeübten Asienauge ein Blick auf China, der einem bewusst werden lässt wie vielfältig und wunderschön dieses riesige Land ist. Und das obwohl man nur einen winzigen Bruchteil dieser Vielfalt zu Gesicht bekommt.
Überwältigend auch die Kampfszenen, die in einer angenehm selten und nicht zu ausgedehnt, die Stille des Films unterbrechen, und doch durch ihre Ästhetik selbst still bleiben. Trotzdem - bei aller Ästhetik, bei aller technischen Brillianz: wenn die Protagonisten beginnen die Schwerelosigkeit vollkommen zu überwinden und sich gegenseitig über die Dächer und an Wänden hochlaufend verfolgen, dann erinnert mich das unangenehm an Gameboy-Spiele. Man mag mich phantasielos nennen, aber solange die Filmtechnik nicht so weit perfektioniert ist, dass Szenen dieser Art tatsächlich absolut realistisch wirken, kann ich mich einer gewissen Distanz nicht entziehen, die für mich durch die Unterbrechung der mystischen Harmonie eines Films dieser Art entstanden ist. Für die computer-bearbeiteten Kampfszenen zeigte sich übrigens Yuen Wo Ping verantwortlich, der unter anderem die Choreographie von "Matrix" koordinierte. Zu einem Film, der eine düstere Zukunftsvision entwirft, in der Technik und Maschinen eine große Rolle spielen, mag diese Art von Szenen passen. Bei "Tiger and Dragon" jedoch wirken einige dieser Choreographien einfach zu aufgesetzt, zu überzogen. Weniger wäre hier mehr gewesen.


Fazit
****

Um an den Anfangspunkt zurückzukehren: ein Prügelstreifen ist "Tiger and Dragon" sicher nicht. Und der typische Jackie-Chan-Fan wird hier sicher auch nicht auf seine Kosten kommen. Ang Lee hat hier das Kunststück fertig gebracht, einen stillen, wunderschön gefilmten und berührenden Actionfilm zu drehen. Diese Beschreibung mag paradox klingen, bestätigt aber umso mehr die Leistung des Regisseurs. In den 120 Minuten, die der Film dauert, habe ich mich keine Sekunde gelangweilt, auch wenn manch einer sagen wird, dass es zwischen den Kampfszenen ziemliche Längen gibt. Es mag auch schwierig sein, sich so schnell umzustellen von Kampf auf Stille, von Action auf stumme Gefühlsbezeugungen. Wenn man es jedoch schafft sich darauf einzulassen, kann "Tiger and Dragon" auf den Zuschauer eine Ausgeglichenheit übertragen, die ihn bestimmt nicht alles aber doch einiges verstehen lässt, was das Lebens- und Ehrgefühl der Protagonisten ausmacht. Einzig die schon erwähnten meines Erachtens etwas ausufernden Kampfszenen (solange die Schwerkraft wenigstens noch zu erahnen war, zogen mich besagte Kämpfe auch in ihren Bann!), störten diese Ausgeglichenheit in meinem Fall ein wenig.

"Tiger and Dragon" macht neugierig darauf, was asiatisches Kino zu bieten hat. Auch wenn oder gerade weil ich noch immer nach der tieferen Bedeutung suche, hat dieser Film in mir den Vorsatz geweckt, mich öfter auf ungewöhnliches Kino einer mir fremden Kultur einzulassen.

23 Bewertungen, 2 Kommentare

  • Mallonn

    20.06.2002, 13:55 Uhr von Mallonn
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich kann dein Urteil soweit bestätigen - Ich hab mich im Kino sehr über die "schlichten Gemüter" geärgert, die einen Action-Kracher im Jackie-Chan-Stil erwartet haben, sich in den ruhigen Passagen langweilten und durch Popcorn

  • DrDuke

    16.04.2002, 20:26 Uhr von DrDuke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich fand den Film nicht so klasse