Bowling for Columbine (VHS) Testbericht

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Auf yopi.de gelistet seit 10/2004
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Erfahrungsbericht von Libraia
Waffen für alle!!!
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Bowling for Columbine
Michael Moore, bis vor kurzem hat dieser Name wahrscheinlich den meisten Deutschen nichts gesagt. Das hat sich mittlerweile geändert, einmal wegen dem sehr erfolgreichen Film „Bowling for Columbine“ , aber auch wegen dem fast zeitgleich erschienen Buch (die erste Auflage ist schon ausverkauft) „stupid white men“.
Ich hatte das Glück, Michael Moore, diesen absolut durchschnittlichen, übergewichtigen, absolut nicht intellektuellen und äußerst harmlos wirkenden Amerikaner, schon vorher kennen zu lernen. Mein Sohn, der ein Jahr Highschool in den USA hinter sich hatte, brachte mir damals dessen Buch „Downsize it“ mit. Dieses Buch (es handelt u.a.von der Rolle der USA bei der Globalisierung) faszinierte mich sehr. Konnte es das wirklich geben, ein Ami, der „linke“ Ideen vertritt, der Amerikas Vorreiterrolle in der Welt kritisch sieht, ein Ami, dem soziale Gerechtigkeit wichtig ist und der das alles dann auch noch so schreibt, dass es jeder, der des Lesens kundig ist, verstehen kann???
Und nun, knapp zwei Jahre später taucht der selbe Michael Moore wieder auf, diesmal allerdings nicht mehr als Geheimtipp, sondern er kommt schon ziemlich groß raus: als Bücherschreiber in einem bekannten Verlag und als Filmemacher mit riesigen Plakaten überall, großen Anzeigen und praktisch einer Rezension in jeder Zeitung. In Cannes bekam der Film den Spezialpreis der Jury. Es ist das erste Mal seit 46 Jahren (!!!), dass in Cannes ein Dokumentarfilm in den Wettbewerb aufgenommen wurde.
Klar, dass ich ins Kino musste (ebenso klar, dass sich das Buch jetzt in unserem Haushalt befindet, allerdings noch ungelesen).
Auch wenn es bei Ciao leider keine Vergütung mehr gibt (haben sie das für Filme jetzt ganz abgeschafft oder nur fast vollständig?) und mein Konto eigentlich eine kleine Aufbesserung nötig hätte, möchte ich gerne meine Eindrücke von dem Film notieren.
Vorweg:
Unbedingt ansehen!
Zum Regisseur und Selfmademan Michael Moore:
Vor einigen Jahren kam es in Flint, Michigan zur Schließung der General Motors Werke. Diese Werke waren der Lebensmittelpunkt des Städtchens. Nach der Schließung und Verlegung der Firma nach Mexiko versank Flint in Armut, Arbeitslosigkeit und Depression. Moore, ein einfacher Mann, wollte verstehen: er folgte Roger, dem Besitzer von G.M. und konfrontierte ihn mit den Folgen seines Handelns. Daraus entstand dann der Film „Roger and Me“, der in den USA relativ erfolgreich war.
Moore ist immer noch der „Typ von nebenan“, ein bisschen simpel wirkend, eindeutig zu dick, ein harmloser bärtiger Teddybär mit zu weiten Jeans, der mit seinen einfachen Fragen, die er zwar vordergründig naiv, aber unheimlich hartnäckig stellt, seine Interviewpartner ganz schön ins Schwitzen bringt.
Zum Film:
Das ist gar nicht so einfach – denn: eine Handlung hat der Film nicht, eine Genrebezeichnung zu finden ist auch nicht ganz ohne. Bowling for Columbine ist eine ungewöhnliche Mischung aus einem Dokumentarfilm und Interviews versetzt mit Comiceinlagen und historischen Zeitdokumenten. Der Film ist sowohl lustig als auch todernst. Lustig in seiner Ausführung und ernst in seinem Anliegen.
Zur Erinnerung: Columbine ist der Name der Schule in Littleton, in der 1999 zwei Schüler für ein Massaker bis dahin unbekannten Ausmaßes gesorgt hatten. Mit halb- bzw. vollautomatischen Waffen mähen sie Schüler und Lehrer nieder und töten sich schließlich selbst.
Anschließend kam es zu landesweiten Protesten gegen die allzu liberale Waffengesetzgebung in den Staaten. Kurz danach fand eine Versammlung der N.R.A. (National Rifle Association), der Waffenfreunde genau in Littleton statt. Charlton Heston, der bekannte Schauspieler, der auch Vorsitzender der N.R.A. hielt eine triefende patriotische Rede (with my cold bloody hands) mit der er zur Verteidigung des uramerikanischen Rechts darauf, Waffen zu besitzen und zu tragen aufruft. Auch als später in einer anderen Schule ein 6-jähriges Mädchen von einem gleichaltrigen Mitschüler erschossen wird, erscheint wieder Charlton Heston kurz darauf in der Stadt. Ein Zusammenhang mit den Ereignissen wird abgeleugnet.
Michael Moore spricht nun mit ganz vielen Personen, die mittel – und auch nur unmittelbar mit den Massakern zu tun hatten. Lehrer, Sheriffs, Politiker, Mitschüler, Eltern kommen zu Wort. Alle möglichen Motive werden genannt: der leichte Zugang zu Waffen, die Videospiele, ein schlechtes Elternhaus, Gewalt im Fernsehen und was nicht noch alles.
Moore begleitet die Eltern von Opfern auf ihren Demonstrationen gegen Waffen, er hört den traumatisierten Mitschülern zu, und er tröstet die Lehrerin der Grundschule, die mit ansehen musste, wie ihre 6-jährige Schülerin starb.
Nun, zugegeben, bis jetzt hört sich das alles noch nicht sehr lustig an. Ich muss gestehen, dass ich während des Filmes auch richtig geweint habe, z.B. als Dokumentaraufnahmen und Tonbandmitschnitte während der schrecklichen Ereignisse in Columbine gezeigt wurden und mir noch mal so richtig klar wurde, wie grässlich es ist, dass so etwas passieren kann. Natürlich fiel mir auch Erfurt, unser deutsches Littleton, wieder ein. Immer wieder gab es Szenen, bei denen mir ein Schauder über den Rücken lief, beispielsweise wenn Angehörige einer Bürgerwehr interviewt werden, die sich völlig sicher sind, dass sie richtig handeln, wenn sie das Gesetz selbst in die Hand nehmen und stolz erzählen, wie viele geladene Waffen sie zu Hause haben.
Dennoch: Bowling for Columbine ist auch ein lustiger Film! Das kann ich daran messen, dass ich öfter gelacht als geweint habe (wesentlich öfter!), aber nicht nur daran.
Die Dreistigkeit, die Naivität und der Wille, etwas unbedingt herauszufinden, die Michael Moore an den Tag legt, das ist oft unwahrscheinlich komisch. Er führt mit seinen Fragen und seinem Nachhaken in unnachahmlicher Weise die Dummheit, den Rassismus und die Kaltschnäuzigkeit mancher seiner Gesprächspartner vor.
Seine Angriffe auf die immer schon gewalttätige Politik der USA finde ich ganz schön mutig: nicht nur die schmutzige Rolle die die USA beim Vietnamkrieg, bei der Ermordung Allendes in Chile, in Panama und während des Krieges zwischen Iran und Irak(wo Amerika beiden Waffen lieferte)werden in Dokumentarausschnitten gezeigt, sondern auch die aktuelleren Heldentaten Amerikas: die Bombardierung Serbiens, die Bewaffnung der Taliban, das Bombardement einer Arzneimittelfabrik im Sudan und nicht zuletzt die Unterstützung die Bin Laden erhalten hatte. Wer sich traut, im heutigen Amerika, zumal nach dem 11.9. des Vorjahres solche Wahrheiten beim Namen zu nennen(auch wenn natürlich alles nur kurz angeschnitten wird und deshalb in seiner Aussage oft etwas verkürzt ist), den nenne ich nicht nur mutig, dem zolle ich auch meinen Respekt.
Sehr zynisch, sarkastisch und witzig ist auch der kurze Zeichentrickfilm „eine kurze Geschichte Amerikas“, den man auch unter www.bowling-for-columbine.com ansehen kann.
Alles ist hier drin: das Abschlachten der Indianer, die Sklaverei, KuKluxKlan, die Bürgerrechtsbewegung, die Dummheit und die Angst der Amerikaner vor jedem und vor allem vor sich selbst.
Wer sich den Film nicht ansehen mag, möge doch zumindest diese Seite besuchen, man kann hier auch sehr treffende Szenen aus dem Film selbst sehen.
Trotz allem „Ami-bashing“: der Film ist nicht antiamerikanisch per se. Ich bin beeindruckt von Michael Moore, der ja auch Ami ist und von vielen seiner Gesprächspartner. So ein Sheriff, der sich empört über ein Sozialsystem, das arbeitslose, alleinstehende, schwarze Mütter dazu zwingt, 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, um von dem Lohn noch nicht mal überleben zu können. Von manchen Eltern aus Littleton, die wirklich aufgewacht sind nach den Ereignissen und versuchen, Dinge zu ändern. Fasziniert auch von dem kleinen Erfolg, den zwei junge Männer, die in Columbine fürs Leben behindert wurden: sie gingen gemeinsam mit Moore zu dem Supermarkt, der den Tätern die Munition verkauft hatte und setzen tatsächlich durch, dass Munition aus dem Angebot genommen wird.
Auch ein Interview mit Marilyn Manson, dem bösen Buben Amerikas (der von vielen indirekt für das Massaker verantwortlich gemacht wurde, da die Täter seine aggressive Musik gehört hatten) erstaunte und überraschte mich positiv: ein erstaunlich intelligenter und politisch denkender junger Mann, der zu Mitgefühl fähig ist.
Hier wird auch der Titel des Films erklärlich: Vor der Tat spielten die Schüler Bowling und noch vorher hörten sie Manson. Warum also macht man nicht das Bowlingspielen verantwortlich für den Massenmord?
Nein, ein Amerika, in dem ein solcher Film erfolgreich ist und in dem es immer noch so viele Menschen gibt, die sich für (sag ich jetzt mal so platt) eine bessere Welt einsetzen, kann so schlecht nicht sein…
Was ist nun die Aussage des Films?
Man denkt die ganze Zeit, es ginge Michael Moore in erster Linie darum, die Waffenverliebtheit der Amis anzuprangern, den sorglosen Umgang mit Gewehren aller Art, die Militarisierung der Gesellschaft und die überaus große Akzeptanz gegenüber Selbstverteidigung, die auch Präventivverteidigung ist. Dann allerdings geht Moore nach Kanada, in ein Land, in dem es mindestens genau so viele Waffen pro Einwohner gibt, in dem ebenfalls Gewaltfilme gesehen werden und Egoshooterspiele gespielt werden. Dennoch:
Hier kommt es nur zu einer verschwindend geringen Zahl von Erschießungen und Morden durch Schusswaffen. Was ist der Grund?
Ganz klar wird das nicht, aber immerhin: das soziale System in Kanada ist wesentlich besser, sei es das Gesundheitssystem oder Einrichtungen wie Kindergärten, Jugendtreffs etc. Es gibt wesentlich weniger Rassismus in der Gesellschaft (obwohl die Anzahl von Schwarzen, Indern, Asiaten etc. ähnlich groß ist) und vor allem: die Menschen haben weniger Angst!
Sie lassen die Türen offen, sie sind nicht hysterisch, wenn sie mal jemand anspricht und es passiert tatsächlich viel weniger.
Nun ja, das ist eine interessante These! Ich denke dennoch, dass auch durchgeknallte hysterische und überängstliche Amerikaner sich gegenseitig weniger töten würden, wenn der Zugang zu Schusswaffen schwerer wäre.
Den krönenden Abschluss des Films bildet ein Interview, das Moore mit Charlton Heston in dessen eigener Villa gelingt. Er bekommt das Gespräch in seiner Eigenschaft als Mitglied der NRA (interessant, dass Moore Mitglied ist, das wird aber leider nicht thematisiert) genehmigt. Heston beruft sich auf sein von der Verfassung garantiertes Recht, Waffen zu besitzen, sie geladen im Haus zu haben und sie mit sich zu führen. Als Antwort auf die Frage, warum Amerikaner sich so häufig gegenseitig erschießen, fällt Heston nur die gewalttätige Vergangenheit Amerikas ein. Doch Moore lässt nicht locker: Was denn mit der Vergangenheit Deutschlands , Englands, Russlands und so weiter wäre. Konfrontiert mit Fragen nach Hestons Reden kurz nach den tragischen Erschießungen in Columbine und in Flint, bricht dieser konsterniert das Gespräch ab und lässt Moore stehen. Als Erinnerung hinterlässt dieser ein Foto des kleinen getöteten Mädchens (das fand ich dann fast ein bisschen zu kitschig, aber o.k. Moore ist halt doch ein Ami irgendwie;))
Fazit:
Ein überaus gelungener, polarisierender, elektrisierender Film, den man einfach gesehen haben sollte!
Wer allerdings eine ausgewogene politische Analyse erwartet oder gar einen objektiven Bericht über die Ereignisse in Littleton, der ist falsch.
Moore möchte subjektiv sein, er möchte die Menschen aufrütteln und zu Diskussionen anregen, er möchte Emotionen schüren, manchmal bedient er sich dabei auch genau der gleichen Mittel, die er sonst bei den Medien oft kritisiert.
Wie ich den Film fände, wenn meine Ausgangsmeinung eine andere wäre? Nun ja, das weiß ich nicht, aber es würde mich interessieren. Vielleicht kann mir ja jemand, der den angesprochenen Themen ganz anders gegenüber steht, einen Kommentar dazu schreiben.
Natürlich freue ich mich aber auch über Kommentare von Leuten, die ihn genauso gut wie ich fanden.
Michael Moore, bis vor kurzem hat dieser Name wahrscheinlich den meisten Deutschen nichts gesagt. Das hat sich mittlerweile geändert, einmal wegen dem sehr erfolgreichen Film „Bowling for Columbine“ , aber auch wegen dem fast zeitgleich erschienen Buch (die erste Auflage ist schon ausverkauft) „stupid white men“.
Ich hatte das Glück, Michael Moore, diesen absolut durchschnittlichen, übergewichtigen, absolut nicht intellektuellen und äußerst harmlos wirkenden Amerikaner, schon vorher kennen zu lernen. Mein Sohn, der ein Jahr Highschool in den USA hinter sich hatte, brachte mir damals dessen Buch „Downsize it“ mit. Dieses Buch (es handelt u.a.von der Rolle der USA bei der Globalisierung) faszinierte mich sehr. Konnte es das wirklich geben, ein Ami, der „linke“ Ideen vertritt, der Amerikas Vorreiterrolle in der Welt kritisch sieht, ein Ami, dem soziale Gerechtigkeit wichtig ist und der das alles dann auch noch so schreibt, dass es jeder, der des Lesens kundig ist, verstehen kann???
Und nun, knapp zwei Jahre später taucht der selbe Michael Moore wieder auf, diesmal allerdings nicht mehr als Geheimtipp, sondern er kommt schon ziemlich groß raus: als Bücherschreiber in einem bekannten Verlag und als Filmemacher mit riesigen Plakaten überall, großen Anzeigen und praktisch einer Rezension in jeder Zeitung. In Cannes bekam der Film den Spezialpreis der Jury. Es ist das erste Mal seit 46 Jahren (!!!), dass in Cannes ein Dokumentarfilm in den Wettbewerb aufgenommen wurde.
Klar, dass ich ins Kino musste (ebenso klar, dass sich das Buch jetzt in unserem Haushalt befindet, allerdings noch ungelesen).
Auch wenn es bei Ciao leider keine Vergütung mehr gibt (haben sie das für Filme jetzt ganz abgeschafft oder nur fast vollständig?) und mein Konto eigentlich eine kleine Aufbesserung nötig hätte, möchte ich gerne meine Eindrücke von dem Film notieren.
Vorweg:
Unbedingt ansehen!
Zum Regisseur und Selfmademan Michael Moore:
Vor einigen Jahren kam es in Flint, Michigan zur Schließung der General Motors Werke. Diese Werke waren der Lebensmittelpunkt des Städtchens. Nach der Schließung und Verlegung der Firma nach Mexiko versank Flint in Armut, Arbeitslosigkeit und Depression. Moore, ein einfacher Mann, wollte verstehen: er folgte Roger, dem Besitzer von G.M. und konfrontierte ihn mit den Folgen seines Handelns. Daraus entstand dann der Film „Roger and Me“, der in den USA relativ erfolgreich war.
Moore ist immer noch der „Typ von nebenan“, ein bisschen simpel wirkend, eindeutig zu dick, ein harmloser bärtiger Teddybär mit zu weiten Jeans, der mit seinen einfachen Fragen, die er zwar vordergründig naiv, aber unheimlich hartnäckig stellt, seine Interviewpartner ganz schön ins Schwitzen bringt.
Zum Film:
Das ist gar nicht so einfach – denn: eine Handlung hat der Film nicht, eine Genrebezeichnung zu finden ist auch nicht ganz ohne. Bowling for Columbine ist eine ungewöhnliche Mischung aus einem Dokumentarfilm und Interviews versetzt mit Comiceinlagen und historischen Zeitdokumenten. Der Film ist sowohl lustig als auch todernst. Lustig in seiner Ausführung und ernst in seinem Anliegen.
Zur Erinnerung: Columbine ist der Name der Schule in Littleton, in der 1999 zwei Schüler für ein Massaker bis dahin unbekannten Ausmaßes gesorgt hatten. Mit halb- bzw. vollautomatischen Waffen mähen sie Schüler und Lehrer nieder und töten sich schließlich selbst.
Anschließend kam es zu landesweiten Protesten gegen die allzu liberale Waffengesetzgebung in den Staaten. Kurz danach fand eine Versammlung der N.R.A. (National Rifle Association), der Waffenfreunde genau in Littleton statt. Charlton Heston, der bekannte Schauspieler, der auch Vorsitzender der N.R.A. hielt eine triefende patriotische Rede (with my cold bloody hands) mit der er zur Verteidigung des uramerikanischen Rechts darauf, Waffen zu besitzen und zu tragen aufruft. Auch als später in einer anderen Schule ein 6-jähriges Mädchen von einem gleichaltrigen Mitschüler erschossen wird, erscheint wieder Charlton Heston kurz darauf in der Stadt. Ein Zusammenhang mit den Ereignissen wird abgeleugnet.
Michael Moore spricht nun mit ganz vielen Personen, die mittel – und auch nur unmittelbar mit den Massakern zu tun hatten. Lehrer, Sheriffs, Politiker, Mitschüler, Eltern kommen zu Wort. Alle möglichen Motive werden genannt: der leichte Zugang zu Waffen, die Videospiele, ein schlechtes Elternhaus, Gewalt im Fernsehen und was nicht noch alles.
Moore begleitet die Eltern von Opfern auf ihren Demonstrationen gegen Waffen, er hört den traumatisierten Mitschülern zu, und er tröstet die Lehrerin der Grundschule, die mit ansehen musste, wie ihre 6-jährige Schülerin starb.
Nun, zugegeben, bis jetzt hört sich das alles noch nicht sehr lustig an. Ich muss gestehen, dass ich während des Filmes auch richtig geweint habe, z.B. als Dokumentaraufnahmen und Tonbandmitschnitte während der schrecklichen Ereignisse in Columbine gezeigt wurden und mir noch mal so richtig klar wurde, wie grässlich es ist, dass so etwas passieren kann. Natürlich fiel mir auch Erfurt, unser deutsches Littleton, wieder ein. Immer wieder gab es Szenen, bei denen mir ein Schauder über den Rücken lief, beispielsweise wenn Angehörige einer Bürgerwehr interviewt werden, die sich völlig sicher sind, dass sie richtig handeln, wenn sie das Gesetz selbst in die Hand nehmen und stolz erzählen, wie viele geladene Waffen sie zu Hause haben.
Dennoch: Bowling for Columbine ist auch ein lustiger Film! Das kann ich daran messen, dass ich öfter gelacht als geweint habe (wesentlich öfter!), aber nicht nur daran.
Die Dreistigkeit, die Naivität und der Wille, etwas unbedingt herauszufinden, die Michael Moore an den Tag legt, das ist oft unwahrscheinlich komisch. Er führt mit seinen Fragen und seinem Nachhaken in unnachahmlicher Weise die Dummheit, den Rassismus und die Kaltschnäuzigkeit mancher seiner Gesprächspartner vor.
Seine Angriffe auf die immer schon gewalttätige Politik der USA finde ich ganz schön mutig: nicht nur die schmutzige Rolle die die USA beim Vietnamkrieg, bei der Ermordung Allendes in Chile, in Panama und während des Krieges zwischen Iran und Irak(wo Amerika beiden Waffen lieferte)werden in Dokumentarausschnitten gezeigt, sondern auch die aktuelleren Heldentaten Amerikas: die Bombardierung Serbiens, die Bewaffnung der Taliban, das Bombardement einer Arzneimittelfabrik im Sudan und nicht zuletzt die Unterstützung die Bin Laden erhalten hatte. Wer sich traut, im heutigen Amerika, zumal nach dem 11.9. des Vorjahres solche Wahrheiten beim Namen zu nennen(auch wenn natürlich alles nur kurz angeschnitten wird und deshalb in seiner Aussage oft etwas verkürzt ist), den nenne ich nicht nur mutig, dem zolle ich auch meinen Respekt.
Sehr zynisch, sarkastisch und witzig ist auch der kurze Zeichentrickfilm „eine kurze Geschichte Amerikas“, den man auch unter www.bowling-for-columbine.com ansehen kann.
Alles ist hier drin: das Abschlachten der Indianer, die Sklaverei, KuKluxKlan, die Bürgerrechtsbewegung, die Dummheit und die Angst der Amerikaner vor jedem und vor allem vor sich selbst.
Wer sich den Film nicht ansehen mag, möge doch zumindest diese Seite besuchen, man kann hier auch sehr treffende Szenen aus dem Film selbst sehen.
Trotz allem „Ami-bashing“: der Film ist nicht antiamerikanisch per se. Ich bin beeindruckt von Michael Moore, der ja auch Ami ist und von vielen seiner Gesprächspartner. So ein Sheriff, der sich empört über ein Sozialsystem, das arbeitslose, alleinstehende, schwarze Mütter dazu zwingt, 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, um von dem Lohn noch nicht mal überleben zu können. Von manchen Eltern aus Littleton, die wirklich aufgewacht sind nach den Ereignissen und versuchen, Dinge zu ändern. Fasziniert auch von dem kleinen Erfolg, den zwei junge Männer, die in Columbine fürs Leben behindert wurden: sie gingen gemeinsam mit Moore zu dem Supermarkt, der den Tätern die Munition verkauft hatte und setzen tatsächlich durch, dass Munition aus dem Angebot genommen wird.
Auch ein Interview mit Marilyn Manson, dem bösen Buben Amerikas (der von vielen indirekt für das Massaker verantwortlich gemacht wurde, da die Täter seine aggressive Musik gehört hatten) erstaunte und überraschte mich positiv: ein erstaunlich intelligenter und politisch denkender junger Mann, der zu Mitgefühl fähig ist.
Hier wird auch der Titel des Films erklärlich: Vor der Tat spielten die Schüler Bowling und noch vorher hörten sie Manson. Warum also macht man nicht das Bowlingspielen verantwortlich für den Massenmord?
Nein, ein Amerika, in dem ein solcher Film erfolgreich ist und in dem es immer noch so viele Menschen gibt, die sich für (sag ich jetzt mal so platt) eine bessere Welt einsetzen, kann so schlecht nicht sein…
Was ist nun die Aussage des Films?
Man denkt die ganze Zeit, es ginge Michael Moore in erster Linie darum, die Waffenverliebtheit der Amis anzuprangern, den sorglosen Umgang mit Gewehren aller Art, die Militarisierung der Gesellschaft und die überaus große Akzeptanz gegenüber Selbstverteidigung, die auch Präventivverteidigung ist. Dann allerdings geht Moore nach Kanada, in ein Land, in dem es mindestens genau so viele Waffen pro Einwohner gibt, in dem ebenfalls Gewaltfilme gesehen werden und Egoshooterspiele gespielt werden. Dennoch:
Hier kommt es nur zu einer verschwindend geringen Zahl von Erschießungen und Morden durch Schusswaffen. Was ist der Grund?
Ganz klar wird das nicht, aber immerhin: das soziale System in Kanada ist wesentlich besser, sei es das Gesundheitssystem oder Einrichtungen wie Kindergärten, Jugendtreffs etc. Es gibt wesentlich weniger Rassismus in der Gesellschaft (obwohl die Anzahl von Schwarzen, Indern, Asiaten etc. ähnlich groß ist) und vor allem: die Menschen haben weniger Angst!
Sie lassen die Türen offen, sie sind nicht hysterisch, wenn sie mal jemand anspricht und es passiert tatsächlich viel weniger.
Nun ja, das ist eine interessante These! Ich denke dennoch, dass auch durchgeknallte hysterische und überängstliche Amerikaner sich gegenseitig weniger töten würden, wenn der Zugang zu Schusswaffen schwerer wäre.
Den krönenden Abschluss des Films bildet ein Interview, das Moore mit Charlton Heston in dessen eigener Villa gelingt. Er bekommt das Gespräch in seiner Eigenschaft als Mitglied der NRA (interessant, dass Moore Mitglied ist, das wird aber leider nicht thematisiert) genehmigt. Heston beruft sich auf sein von der Verfassung garantiertes Recht, Waffen zu besitzen, sie geladen im Haus zu haben und sie mit sich zu führen. Als Antwort auf die Frage, warum Amerikaner sich so häufig gegenseitig erschießen, fällt Heston nur die gewalttätige Vergangenheit Amerikas ein. Doch Moore lässt nicht locker: Was denn mit der Vergangenheit Deutschlands , Englands, Russlands und so weiter wäre. Konfrontiert mit Fragen nach Hestons Reden kurz nach den tragischen Erschießungen in Columbine und in Flint, bricht dieser konsterniert das Gespräch ab und lässt Moore stehen. Als Erinnerung hinterlässt dieser ein Foto des kleinen getöteten Mädchens (das fand ich dann fast ein bisschen zu kitschig, aber o.k. Moore ist halt doch ein Ami irgendwie;))
Fazit:
Ein überaus gelungener, polarisierender, elektrisierender Film, den man einfach gesehen haben sollte!
Wer allerdings eine ausgewogene politische Analyse erwartet oder gar einen objektiven Bericht über die Ereignisse in Littleton, der ist falsch.
Moore möchte subjektiv sein, er möchte die Menschen aufrütteln und zu Diskussionen anregen, er möchte Emotionen schüren, manchmal bedient er sich dabei auch genau der gleichen Mittel, die er sonst bei den Medien oft kritisiert.
Wie ich den Film fände, wenn meine Ausgangsmeinung eine andere wäre? Nun ja, das weiß ich nicht, aber es würde mich interessieren. Vielleicht kann mir ja jemand, der den angesprochenen Themen ganz anders gegenüber steht, einen Kommentar dazu schreiben.
Natürlich freue ich mich aber auch über Kommentare von Leuten, die ihn genauso gut wie ich fanden.
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