Der Anschlag (VHS) Testbericht

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ab 7,98
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Auf yopi.de gelistet seit 10/2004

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Erfahrungsbericht von wildheart

Rette sich, wer kann

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Die hiesige Filmkritik deutet „The Sum of All Fears“ in merkwürdigen Worten. Zunächst sei der Film eine Komödie, später ein Drama voll Panik, meint die „Süddeutsche Zeitung“, die Regisseur Robinson („Sneakers“, 1992, mit Robert Redford, Sidney Poitier, Dan Aykroyd) zudem bescheinigt, keine Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben. Für den „Spiegel“ waren Humor und Action im Film eher „lau“. Die „Welt“ meint, der Film sei anachronistisch, die Frage, ob sich die USA und Russland „mit Atomraketen beschießen könnten“, komme „nicht bloß ein Jahr, sondern mindestens zwei Jahrzehnte zu spät“. „Blickpunkt: Film“ sieht in „Der Anschlag“ „blendende Suspense-Unterhaltung“, die „taz“ hingegen die Wiederkehr der „schwarze(n) Pädagogik des Kalten Krieges“. Dann sei „die Lehre vom düsteren Weltbild, in der die Fixierung auf die ganz große Gefahr alle in Schach hält und eine unzählige Summe von kleineren Übeln in Kauf nehmen lässt, sehr nahe“. Apocalypse now! Rette sich, wer kann! Keiner kam offensichtlich auf die Idee, dass der Film in verschiedener Hinsicht einfach dumm ist.

Inhalt
In Russland ist Alexander Nemerov (Ciarán Hinds) überraschend zum neuen Präsidenten gewählt worden. Angesichts des Tschetschenien-Krieges weiß die amerikanische Führung nicht, wie sie den neuen Mann in Moskau einschätzen soll. CIA-Chef William Cabot (Morgan Freeman) zieht deshalb den als erfahren geltenden CIA-Agenten Jack Ryan (Ben Affleck) zu den Beratungen unter Führung des amerikanischen Präsidenten Fowler (James Cromwell), des Außenministers Owens (Ron Rifkin) und des Verteidigungsministers Becker (Philip Baker Hall) hinzu. Ryan ist fest davon überzeugt, dass Nemerov nicht zu den Falken im Kreml gehört. Zusammen mit Ryan bricht Cabot nach Moskau auf, um erste Tuchfühlung mit Nemerov aufzunehmen und den Stand der Vernichtung von Nuklearwaffen zu inspizieren. Dabei stellt Ryan fest, dass drei hochrangige Atomwissenschaftler verschwunden sind.

Zur selben Zeit wird ein nuklearer Sprengkopf, der 1968 bei einem Absturz eines Kampfflugzeuges auf den Golan-Höhen verloren gegangen war, von Haifa Richtung amerikanischer Ostküste transportiert. Der neofaschistische Geschäftsmann Richard Dressler (Alan Bates) hat den Sprengkopf für 400 Dollar einem armen Araber, der ihn gefunden hatte, abgekauft. Dressler will Streit, Krieg zwischen den USA und Russland provozieren, um seinen verrückten Plan einer neuen faschistischen Weltherrschaft zu realisieren. Der Sprengkopf wird gezündet und schlägt in Baltimore ein, zu einem Zeitpunkt, als Präsident Fowler sich gerade dort aufhält.

Fowler kann gerade noch in Sicherheit gebracht werden. Cabot und Tausende von Menschen bezahlen den Einschlag mit ihrem Leben. Die amerikanische Regierung kann sich nur einen Verantwortlichen für den Angriff vorstellen: Nemerov. Der jedoch ist ebenso entsetzt und beteuert seine Unschuld. In der amerikanischen Regierung wird noch gestritten, ob man einen Gegenschlag gegen Russland durchführen soll, als Ryan auf die Spur der wahren Verantwortlichen stößt. Die Zeit wird knapp. Denn die US-Regierung entschließt sich zum Gegenschlag, die Russen machen mobil. Ein atomarer Weltkrieg droht ...

Inszenierung
In Clancys Roman waren es arabische Terroristen, die den atomaren Angriff planten und in Denver durchführten. Daraus wurden in Robinsons Film Neofaschisten. Das verschaffte dem Film nicht gerade mehr Glaubwürdigkeit. Aber dieser Wechsel der Drahtzieher ist nicht der einzige Mangel in „The Sum of All Fears“. Dass die russische Führung wegen ihrer umstrittenen und menschenrechtswidrigen Tschetschenien-Politik auf die Idee verfallen könnte, den Amerikanern eine Atombombe vor den Bug zu knallen, um ihre Stärke zu demonstrieren, ist absurd, und bei allen Vorbehalten gegen die amerikanische Politik (bzw. die Intelligenz von politischen Strategen) kann ich mir nicht vorstellen, dass die Regierungsspitze in Washington auf eine solche Idee kommen könnte. Dass eine Atombombe unbemerkt über den Teich schippert, vielleicht schon eher.

Unglaubwürdig wird die Filmfassung jedoch vor allem durch die klischeehafte Darstellung nicht nur des Neonazis Dresslers, sondern auch etwa des russischen Präsidenten Nemerov. Sämtliche Personen des Films haben wenig Konturen, wirken mehr oder weniger wie Schachfiguren, mit Ausnahme vielleicht in einer Szene, als Fowler und die anderen Regierungsmitglieder von einem Flugzeug aus entscheiden müssen, was zu tun ist. Ben Affleck hetzt durch den Film von einem Ort zum anderen, ab und zu mal zu seiner neuen Liebe, der Ärztin Cathy Muller (Bridget Moynahan), die zwar nett anzusehen ist, aber als Teil einer Liebesgeschichte fungiert, die für die Handlung selbst völlig bedeutungslos ist.

Überhaupt teilt sich der Film in zwei Hälften. Den ersten beherrschen ein reger Reiseverkehr, ständige Ortswechsel, Zeitverschiebungen usw. Das Hin und Her, was Robinson hier inszenierte, erzeugt wenig Spannung und erinnert stark an den klassischen (hier aber eher langweiligen) Agentenfilm. Der zweite Teil – nach dem zurückhaltend inszenierten Atombombenangriff – entfaltet durch die brenzlige Situation, die dadurch zwischen Russland und den USA entsteht, zumindest einiges an Spannung, wenn Afflecks Ryan verzweifelt versucht, Kontakt mit der amerikanischen Regierung zu bekommen, um ihr mitzuteilen, dass nicht Russland, sondern Dressler hinter dem Anschlag steht.

Eingerahmt wird die Handlung einerseits von der oberflächlichen und einfach gestrickten Botschaft: Verhandelt miteinander, arbeitet zusammen, baut Misstrauen ab, hört auf Experten und verfallt nicht dem Schein, andererseits von der Liebesgeschichte zwischen Ryan und Cathy: In der Schlussszene sitzen beide auf dem Rasen vor dem Weißen Haus und picknicken, während Fowler und Nemerov ein Abkommen unterzeichnen. Ich fass es nicht.

Fazit
Was ist in den USA los? Einerseits überschwemmt ein Kriegsfilm nach dem anderen die Kinos, andererseits dümpeln frohe Botschaften über Friede, Freude, Eierkuchen über die Leinwand. Ernsthaft im Sinne einer wirklichen und wirkenden Auseinandersetzung mit Konflikten ist keiner dieser Filme. Publikumsgeschmack? Politische Verschwörung mit niedrigen Beweggründen? „The Land of the Free“ against the terrorism? Vereinnahmung Russlands für einen Schlag gegen den Irak? So einfach wird’s nicht sein. Festhalten kann man nur: Auch „The Sum of All Fears“ schwimmt auf einer Welle von Oberflächlichkeit in bezug auf Probleme und Konflikte in dieser Welt, die einfache, einfach gestrickte Lösungen nahelegen, wo Komplexität und vor allem Abbau von Feindbildern gefragt wäre.

Der zweite Teil des Films ist einigermaßen spannend. Ansonsten fließt der Film wie anderes Treibholz im Mainstream Hollywoods.

Der Anschlag
(The Sum of All Fears)
USA 2002, 119 Minuten
Regie: Phil Alden Robinson

Drehbuch: Paul Attanasio, Daniel Pyne, nach dem Roman von Tom Clancy
Musik: Jerry Goldsmith
Kamera: John Lindley
Schnitt: Neil Travis
Spezialeffekte: –
Hauptdarsteller: Ben Affleck (Jack Ryan), Morgan Freeman (DCI William Cabot), James Cromwell (Präsident Robert Fowler), Liev Schreiber (John Clark), Bridget Moynahan (Dr. Cathy Muller), Alan Bates (Richard Dressler), Ciarán Hinds (Präsident Alexander Nemerov), Philip Baker Hall (Verteidigungsminister Becker), Ron Rifkin (Außenminister Owens), Bruce McGill (Nationaler Sicherheitsberater Revell), Colm Feore (Olson), Josef Sommer (Senator Jessup)

Offizielle Homepage: http://movies.uip.de/deranschlag/
Internet Movie Database: http://us.imdb.com/Title?0164184

Weitere Filmkritik(en):
„Washington Post“ (Desson Howe):
http://www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn?pagename=article&node=style/movies/reviews&contentId=A33551-2002May30¬Found=true

„Chicago Sun-Times“ (Roger Ebert):
http://www.suntimes.com/ebert/ebert_reviews/2002/05/053102.html


© Ulrich Behrens 2002
(dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in www.ciao.com unter dem Mitgliedsnamen Posdole)

16 Bewertungen, 2 Kommentare

  • XXLALF

    05.02.2012, 20:31 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    stark dieser bericht, auch wenn ich mit dieser materie nicht warm werde. bw und ganz liebe grüße

  • Sayenna

    17.12.2006, 14:48 Uhr von Sayenna
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & Kuss :-)